Umweltschutz

Beewashing – wie gefährdet sind Bienen wirklich?

Honigbienen sind beliebte Tiere. Die Zahl der Hobbyimker und Unternehmen mit Bienenvölkern wächst. Doch in den letzten Monaten wurde die Bienenhaltung kontrovers diskutiert – ausgelöst durch eine Folge des ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann. Es ist von „Beewashing“ die Rede, (vermeintliches) Bienensterben würde instrumentalisiert. Ist die Biene also gar nicht in Gefahr?

Um einen entscheidenden Teil der Geschichte von Anfang an zu spoilern: Ja, Bienen sind enorm wichtig für die Natur und das Entstehen von Saaten und Früchten, auch Honigbienen. Es gibt viele Gründe, sie zu achten und zu schützen. Doch vom Aussterben bedroht sind Letztere nicht. In der Folge des ZDF Magazin Royale vom 3.11.2023 wird kritisiert, dass sich Unternehmen Bienenvölker auf Dächer stellen, um sich als besonders „grün“ und umweltbewusst zu inszenieren, obwohl damit kein Artenschutz betrieben wird. Die Kritik lässt jedoch einiges außer Acht.

Honigbienen sind Influencer in Sachen Naturschutz

In Deutschland sind über 84 Prozent der Nutzpflanzenarten von Insekten abhängig (Quelle: WWF). Doch innerhalb von nur 27 Jahren ist die weltweite Biomasse aus Insekten um 76 Prozent zurückgegangen. Schuld daran ist eine ungute Mischung aus den Nebenwirkungen unserer intensiven Landwirtschaft (Stichworte: Monokultur, Chemikalieneinsatz), Licht- sowie Luftverschmutzung und Klimawandel. Das Insektensterben ist real und es ist bedrohlich. Wo Insekten fehlen, gerät das biologische Gleichgewicht aus den Fugen. Viele Insekten sind weniger beliebt als Honigbienen, aber für die Bestäubung von Obstbäumen und anderen Pflanzen ebenfalls wichtig, darunter:
• Hummeln
• Wespen
• Schmetterlinge (auch die unscheinbaren)
• Käfer/Rüsselkäfer
• Schwebfliegen
• Mücken
• Wanzen

Jede Insektenart hat ihre eigenen Vorlieben und ist auf bestimmte Blüten spezialisiert. Während Bienen eher kurze Rüssel haben und deshalb einen hoch liegenden Nektar bevorzugen, können z. B. Schmetterlinge tief verborgenen Nektar mit ihrem längeren Rüssel noch gut erreichen. Nachtfalter lieben Blüten, die sich erst am Abend öffnen, zu einer Zeit, in der andere Insekten bereits Feierabend machen. Daher sorgt eine große Insektenvielfalt auch für eine lebendige und diverse Pflanzenlandschaft – und umgekehrt. Doch Menschen haben zu den meisten Insekten keine positive Assoziation. Bei der Honigbiene ist das anders. Sie kann symbolhaft für alle Insekten stehen, auch für die unscheinbaren oder solche, die eher negativ wahrgenommen werden (z. B. Wespen oder graue Falter). Die Honigbiene macht mit ihrer freundlichen und gut abbildbaren Erscheinung auf ein komplexes Thema aufmerksam. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, sie als „Influencer“ nach vorn zu stellen. Zumal sie auch etwas für ihre nächsten Verwandten tun kann. Denn Wildbienen sind tatsächlich bedroht.

Wildbienen – gefährdete Spezialisten

Mehr als die Hälfte der über 560 Wildbienenarten in Europa gelten als bedroht. Viele von ihnen sind auf bestimmte Pflanzenarten als Nahrungsquelle spezialisiert – gibt es zu wenige davon, können sie nicht überleben. Hinzu kommt der Mangel an geeigneten Nistplätzen für Insekten. Die meisten Wildbienen leben vereinzelt und unscheinbar in der Erde, in Totholz, Lücken in Mauervorsprüngen und ähnlichen Nischen. Durch eine zunehmende Versiegelung des Bodens, „bereinigte“ Schottergärten und eine insgesamt verarmte Pflanzendiversität verschlechtern sich die Chancen der Wildbienen enorm. Im Zusammenhang mit dem Beewashing-Vorwurf taucht häufig auch die Befürchtung auf, die stark unterstützten Honigbienen könnten Wildbienen die Nahrung wegnehmen. Und doch: Vieles, was den Honigbienen nutzt, kommt auch den Wildbienen zugute. Immer häufiger entstehen neue insektenfreundliche Blühflächen auch im urbanen Raum. So setzt die Stadt Frankfurt am Main zum Beispiel seit Jahren immer mehr auf Wildblumen und Gräser auf Verkehrsinseln und als Straßenbegleitgrün. Wo es möglich ist, werden Blumen- und Gräserwiesen angelegt, um die Insektenvielfalt in der Stadt zu fördern. Das positive Image von Bienen und Hummeln sorgt hier für eine große Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger, auch wenn die Flächen „unordentlich“ und nicht sauber gemäht erscheinen.

Fazit: Der Bestand an Honigbienen ist nicht bedroht. Dennoch leisten sie als Nutztiere zur Bestäubung von Pflanzen einen großen und wichtigen Beitrag. Zugleich können sie durch ihren Sympathiewert stellvertretend für alle Insekten auf die schwierigen Lebensbedingungen der kleinen Krabbler aufmerksam machen. Am besten ist es, wenn Unternehmen ihr Engagement für die Honigbiene auch explizit dazu nutzen, über andere Insekten zu sprechen, allen voran die erheblich gefährdeten Wildbienenarten. Auf diese Weise kann langfristig mehr Bewusstsein für die Bedrohung von Insekten insgesamt entstehen.

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„Die Honigbiene macht mit ihrer freundlichen und gut abbildbaren Erscheinung auf ein komplexes Thema aufmerksam.“
Die Autor*in
Heidi Schmitt
Heidi Schmitt
Egal, ob mit ihrem italienischen Hund Panini oder als leidenschaftliche Läuferin: Heidi ist fast immer zu Fuß unterwegs. Die wilde Vermüllung von Grünflächen in ihrer Wahlheimat Frankfurt macht ihr dabei sehr zu schaffen. Mit alltäglichen Clean-up-Aktionen und der Tastatur hält die Bloggerin und Autorin dagegen. Ihr besonderes Interesse gilt außerdem innovativen Recyclingmethoden und verstecktem Elektroschrott in Dingen des Alltags.