Wiederverwertung

Der Circularity Gap Report 2022: Schrumpfende Recyclingraten und was zu tun ist

Der globale Materialverbrauch hat sich in den letzten 50 Jahren fast vervierfacht. Statt Ressourcen wiederzuverwerten, werden immer mehr neue Rohstoffe extrahiert. Dabei könnten wir unseren Materialverbrauch um fast 30 % und dadurch auch die Emissionen um fast 40 % senken, sodass das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar wäre. Der jährliche Circularity Gap Report nimmt das Thema unter die Lupe.

Diesen Monat jährt sich zum fünfzigsten Mal der Bericht „The Limits to Growth“ des Club of Rome von 1972. Allerdings wäre eine Jubiläumsfeier angesichts eines seither vervierfachten Materialverbrauches und rückläufiger Recyclingquoten ein trauriges Fest. Daher stellt der Circularity Gap Report 2022 nun Ideen für die Stärkung von Ressourcen- und Klimaschutz durch eine Kreislaufwirtschaft vor.

Knappe Ressourcen: 50 Jahre Wissen über die Grenzen des Wachstums

Die Ressourcen der Erde reichen selbst mit neuer Technologie nicht aus, um die Wachstumsraten der Wirtschaft und Bevölkerung bis über das Jahr 2100 zu unterhalten – mit dieser Schlussfolgerung erschütterte ein internationales Team des Massachusetts Institute of Technology 1970 die Welt. Die Forschenden hatten verschiedene Szenarien der menschlichen Zukunft in einem Computer-Modell entwickelt, das wachstumslimitierende Faktoren enthielt. In ihrem Abschlussbericht betonten sie aber auch: Die Menschheit kann unendlich lange auf dieser Erde leben, wenn sie einen Gleichgewichtszustand zwischen Bevölkerung und Güterproduktion erreicht.

Was ist seither passiert? Der weltweite Materialverbrauch hat sich fast vervierfacht!

Seither ist viel passiert, leider auch im negativen Sinn. Der globale Materialverbrauch hat sich von 28,6 Milliarden Tonnen 1972 auf 101,4 Milliarden Tonnen im Jahr 2020 fast vervierfacht. Das fand der gemeinnützige niederländische Think-Tank „Circle Economy“ heraus, der seit 2018 jährlich den Circularity Gap Report herausgibt. Von dieser Materialwucht werden 32,6 % als Abfall deklariert, von dem allerdings nur gut ein Viertel das Recycling erreicht. Der Großteil landet inklusive zahlreicher Wertstoffe auf Deponien und in Verbrennungsanlagen. Vieles wird in Länder mit geringeren Umweltstandards exportiert oder gar inoffiziell entsorgt. Laut den Autor*innen des Berichts wurden so 2020 nur 8,6 % der Rohstoffe recycelt und damit sogar 0,5 % weniger als im Jahr 2018! In Sachen Wiederverwertung bewegen wir uns also global betrachtet in die falsche Richtung.

Woran liegt das?

Den Grund dafür sieht der Think-Tank in unserem Umgang mit dem globalen Bevölkerungswachstum und dem wachsenden Pro-Kopf-Verbrauch an Rohstoffen. Statt vorhandene Gebäude, Infrastruktur oder Maschinen zu nutzen, werden immer mehr neue Ressourcen extrahiert. Das passiert zwei- bis dreimal schneller, als die Nutzungseffizienz und die Recyclingtätigkeit zunehmen. Folglich kann die Menge an sekundärem Material den Bedarf nicht decken. Dadurch wurde die Regenerationskraft der Erde zwischen den Klimakonferenzen in Paris 2015 und in Glasgow 2021 um 70 % überschritten. Wenn es so weitergeht, prognostiziert der Circularity Gap Report für 2050 sogar einen globalen Materialverbrauch von 170 bis 184 Milliarden Tonnen. Leider spricht vieles für dieses Szenario, denn selbst durch die Corona-Pandemie wurde der Verbrauch nur kurzzeitig gesenkt.

Die Wirtschaft sollte sich im Kreis drehen …

Offensichtlich muss die Art der Bedürfnisbefriedigung dringend vom Verbrauch an Primärmaterial entkoppelt werden. Ein strukturelles Konzept hierfür ist die Kreislaufwirtschaft, die sich ein Vorbild an den geschlossenen Stoffströmen der Natur nimmt. Der Geschäftsführer des Re-Use- und Reparaturnetzwerks Österreich, Matthias Neitsch, beschreibt die Idee so: „Wir stehen vor der Herausforderung der Transformation der produktionsbasierten linearen Ökonomie in eine zirkuläre Werterhaltungs-Ökonomie.“ Der Abfall am Ende der wirtschaftlichen Kette muss also mit der Ressourcengewinnung an ihrem Anfang verknüpft werden.

… und damit gleich zwei Probleme auf einmal lösen: Recycling spart auch CO2

Eine solche Kreislaufwirtschaft würde auch unseren Klimazielen zugute kommen. Laut dem Circularity Gap Report sind 70 % der gesamten Treibhausgasemissionen mit der Gewinnung, dem Transport, der Verarbeitung und der Nutzung von Material wie beispielsweise Textilien verknüpft. Es bestehen also große Herausforderungen, aber auch große Chancen im Zusammendenken von Ressourcen- und Klimaschutz. Fritz Hinterberger, Vizepräsident des Österreichischen Club of Rome, bringt diesen Zusammenhang unmissverständlich auf den Punkt: „Nur wenn man vorne weniger reintut, kann hinten weniger rauskommen.“

Konkrete Empfehlungen des Circularity Gap Reports 2022: Wiederverwertung von Wertstoffen

Damit die Kreislaufwirtschaft schnell Realität wird, hat der diesjährige Circularity Gap Report konkrete Handlungsempfehlungen abgegeben. Durch das Engagement von Unternehmen, Städten und Nationen könne man den Materialverbrauch um fast 30 % und dadurch auch die Emissionen um fast 40 % senken, sodass das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar wäre.

Dafür bedarf es vor allem in Städten der Einsparung (bspw. von Wohnfläche) und Umstellung (bspw. auf vegetarische Ernährung). Außerdem müsse die Recyclingquote um 8 % steigen. Besonders wichtig wäre dies aufgrund des hohen Materialverbrauchs und entsprechendem Treibhausgasausstoß im Bereich Wohnen und Infrastruktur. Durch Baumaterialien mit recycelten Anteilen und die Trennung von Bauabfällen könnten bis zu 3,55 Gt Material und 13,5 Gt Emissionen eingespart werden. In der Mobilität könne das Recycling gar 40,6 % des Materials und 8 % der Emissionen einsparen. Hunderte Millionen Tonnen Material und CO2 wären auch durch Recycling von Plastik, Papier, Möbeln und synthetischen Fasern in der Güterproduktion vermeidbar.

Natürlich ist das keine leichte Aufgabe. Karin Huber-Heim, Executive Director des Circular Economy Forum Austria, betont: „Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und -gesellschaft ist komplex und erfordert einen systemischen Ansatz mit neuen Formen der Kooperation und Ko-Kreation sowie eine breite Einbeziehung von Interessengruppen.“ Unternehmer*innen, Mitarbeitende der Regierung und Konsumierende müssen also zusammenarbeiten, um den wertvollen Abfall besser zu nutzen und die Stoffströme zu schließen!

Quellen:

„Im Jahr 2020 wurden nur 8,6 % der Rohstoffe recycelt und damit sogar 0,5 % weniger als 2018! In Sachen Wiederverwertung bewegen wir uns also in die falsche Richtung.“
Circularity Gap Report 2022
Die Autor*in
Marlene Haas
Marlene Haas
Als Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens "Lust auf besser leben" und Nachhaltigkeitkeitsaktivistin schlägt Marlenes Herz für alle Themen rund um Zero Waste, Klimaschutz und Circular Economy. Die Frankfurterin tüftelt am liebsten an neuen Ideen, die andere für nicht machbar halten, oder schreibt für RECYCLIST. Ansonsten cruist sie mit ihrem Sohn im Gepäck auf dem Cargobike durch die Region oder bemüht sich um einen grünen Daumen an ihren Hopfenpflanzen.