Krisen, Umbrüche und disruptive Veränderungen sind stets ein handfestes Motiv für neue Blickwinkel auf die politische Wirklichkeit. Klimawandel und Artensterben, die Verletzung von Menschenrechten und die Umweltverschmutzung sind globale Herausforderungen, denen die Europäische Union mit einem umfangreichen Rahmenwerk begegnet.
Die nichtfinanzielle Berichtspflicht von Unternehmen, die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD), ist Teil dieses europaweiten politischen Rahmenwerkes. In diesem Artikel werden Sie einen kurzen Einblick in die Kriterien und den Hintergrund der CSRD erhalten.
Das politische Rahmenwerk: der EU Green Deal
Den äußeren Rahmen für die Verpflichtung der Europäischen Union, Europa bis 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen, bildet der im Jahr 2019 vorgestellte „Green Deal“. Das Ziel soll durch zahlreiche Maßnahmen für einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel erreicht werden. Dazu wurden bereits einige wichtige Initiativen auf den Weg gebracht, beispielhaft dafür stehen:
- Verschärftes Klimaziel auf EU-Ebene bis 2030
- Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
- Recht auf Reparatur
- Just Transition Fund
- Strategien zum Naturschutz und zum Wald
- Überarbeitung der CSR-Berichtspflicht von Unternehmen
- Maßnahmen zur Förderung des nachhaltigen Finanzwesens
- Aktualisierung der EU-Industriestrategie
In unserer Auseinandersetzung mit der CSRD bewegen wir uns in dem übergeordneten Feld der „Überarbeitung der CSR-Berichtspflicht von Unternehmen“.
Warum es (wirklich) eine CSR-Berichtspflicht braucht
Die Verantwortung von Unternehmen gegenüber Umwelt und Gesellschaft wird durch den Begriff der Corporate Sustainability and Responsibility (CSR) beschrieben. Bisher waren die Berichte der Unternehmen zu Nachhaltigkeit und Verantwortung optional und nicht standardisiert.
Zwar gibt es bereits seit mehreren Jahren Bezugsrahmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (DNK, GRI etc.), doch war es bisher den Unternehmen überlassen, über welche Themen und in welchem Umfang sie berichten wollten. Das Ergebnis dieser Freizügigkeit sind oftmals in Hochglanzbroschüren verpackte, geschönte Darstellungen der Unternehmen zu ihrer Nachhaltigkeitsleistung.
Die Europäische Union ist sich darüber bewusst, dass eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft klare Leistungsindikatoren benötigt, anhand derer die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen quantifiziert werden kann. Nur so lässt sich auch eine Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen erreichen.
Doch allein Leistungsindikatoren zu definieren und die Unternehmen danach berichten zu lassen, ist nur ein Teilaspekt der forcierten nachhaltigen Transformation. Etwas Grundlegendes muss sich verändern, damit Unternehmen das neue politische Rahmenwerk als obligatorisch betrachten und intrinsisch motiviert an dessen Umsetzung gehen. Es stellt sich der EU-Kommission also die Frage: Wie bewegen wir die Akteure der Wirtschaft am effektivsten zu einer nachhaltigen Transformation?
Die Antwort ist so simpel wie clever: Über die Lenkung von Kapitalflüssen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Dies markiert die Geburtsstunde der EU-Taxonomie-Verordnung.
Die Verordnung macht „Nachhaltigkeit“ zu einem Kriterium des Risikomanagements in der Finanzwirtschaft. Die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens wird also Teil der Bewertung durch Banken und Investor*innen, gleichsam wie bisher die Wirtschaftsleistung, quantifiziert in der Jahresbilanz der Unternehmen, Grundlage für die Bewertung war. Sprich: Wollen Unternehmen Kredite bekommen, spielt künftig ihr Nachhaltigkeitswesen eine entscheidende Rolle bei der Vergabe.
Die CSRD ist entsprechend eine nichtfinanzielle (CSR-)Berichtspflicht, welche die Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen im Wirtschaftsraum transparent und vergleichbar machen soll.
Die CSRD
Mit großer Mehrheit wurde der Nachfolger der bereits seit 2017 aktiven „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) am 10.11.2022 vom Europäischen Parlament verabschiedet.
Während die NFRD Versicherungen, Banken und große kapitalmarktorientierte Unternehmen in die Pflicht nahm, weitet sich die Berichtspflicht mit der CSRD in drei Schritten auf immer weitere Teile der Wirtschaft aus:
- Ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen (erste Berichterstattung 2025)
- Ab dem 1. Januar 2025 für große Unternehmen (erste Berichterstattung 2026), die zwei dieser drei Kriterien erfüllen:
- über 250 Mitarbeitende
- Bilanzsumme über 20 Millionen Euro
- Umsatz über 40 Millionen Euro
- Ab dem 1. Januar 2026 für alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (erste Berichterstattung 2027 mit Opt-out-Möglichkeit bis 2028), die zwei dieser drei Kriterien erfüllen:
- über 10 Mitarbeitende
- Bilanzsumme über 350.000 Euro
- Nettoumsatzerlöse über 700.000 Euro
- Ab 1. Januar 2028 zudem auch nichteuropäische Unternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von über 150 Millionen Euro erzielen oder eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben.
Ein wesentlicher Bestandteil der CSRD ist ein allgemeingültiger Bezugsrahmen. Diesen Bezugsrahmen definieren die „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) im Sinne von Leistungsindikatoren, nach denen die Unternehmen berichten sollen. Die Berichtsarchitektur baut auf den konzeptionellen Richtlinien und Prinzipien bereits etablierter Nachhaltigkeitsberichtsstandards auf.
Insgesamt enthalten die ESRS 17 Offenlegungspflichten für Unternehmen, von denen lediglich die ersten elf verpflichtend sind. Die Offenlegungspflichten lauten im Einzelnen …
- Durchatmen -
Sie sehen, das Thema macht mit einem sehr hohen Detailgrad auf sich aufmerksam, den wir in diesem Artikel nicht vollumfänglich ausschöpfen können. An dieser Stelle ist noch die Zeit, einen guten Absprung zu schaffen und Sie bei weiterem Interesse in die eigenständige Recherche zu entlassen. Die bisherigen Erkenntnisse zusammengefasst:
- Die Europäische Union hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden und die Wirtschaft nachhaltig zu transformieren (EU Green Deal).
- Wichtiges Instrument dieser nachhaltigen Transformation ist die EU-Taxonomie (Lenkung von Kapitalströmen in nachhaltige Geschäftspraktiken).
- Um dieselbe Transparenz und Vergleichbarkeit wie bei „klassischen“ (Jahresbilanz-)Bewertungen von Unternehmen zu erreichen, bedarf es eines Rahmenwerkes.
- Dieses Rahmenwerk (vormals NFRD) ist die CSRD.
- Unternehmen werden durch die CSRD verpflichtet, über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren ihrer Geschäftstätigkeit zu berichten.
- Diese Indikatoren sind die ESRS.
Und jetzt wird alles besser?
Die Idee der EU-Kommission, über die Steuerung von Kapitalströmen eine Motivation für Unternehmen zu höherer Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt zu erreichen, ist intelligent und kann durchaus funktionieren. Die Berichtspflichten mögen zwar Transparenz und Vergleichbarkeit gewährleisten, ein Garant für eine nachhaltige Transformation sind sie deshalb aber noch nicht.
Dies wird in folgendem Szenario deutlich: Die Unternehmen A, B und C weisen in ihrer Jahresbilanz einen Umsatz von 100 Euro aus.
Aus der Sichtweise einer Bank, welches der Unternehmen würden Sie finanzieren?
Die Realität ist natürlich bedeutend komplexer. Doch wenn alle Akteure zwar nach standardisierten Indikatoren berichten, jedoch keines der Unternehmen in den jeweiligen Indikatoren durch gute Leistung zu bevorzugen ist, ergibt sich auch kein gravierender positiver Effekt aus der Steuerung der Kapitalflüsse. Denn kein Unternehmen zu finanzieren, ist offensichtlich keine Option.
Die CSRD kann also nur wirkungsvoll sein, wenn der Wille der Unternehmen zu einer nachhaltigen Transformation insgesamt zunimmt. Dieses Ziel politisch durchzusetzen ist ein wichtiger Schritt, die ganze Wahrheit jedoch, dass die Steuerung von Kapitalflüssen nicht ausschließlich den Banken, sondern auch uns Konsument*innen obliegt.
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