Mehrweg

Was ist nachhaltiger – Glasflaschen oder Plastikflaschen?

Wer nachhaltig denkt, bevorzugt in der Regel Mehrwegflaschen. Denn die, so haben wir alle spätestens seit der „Dosenpfand“-Verordnung gelernt, sind umweltfreundlicher, da sie mehrfach verwendet werden können. Dies gilt besonders für Glasflaschen, denn sie werden nicht aus Erdölprodukten hergestellt und lassen sich öfter reinigen. Aber sind Plastikflaschen wirklich weniger nachhaltig?

Der Mehrweg-Anteil in Deutschland sinkt seit Jahren kontinuierlich. Im Jahr 2018 lag er laut Umweltbundesamt bei 41,2 %, bei Mineralwasser sogar bei 38,8 %. Das liegt unter anderem am Angebot der Discounter – Mehrwegsysteme erfordern Platz für die Lagerung von Kästen, und den können oder wollen Discounter nicht einräumen. Hinzu kommt eine begriffliche Umdeutung. Die „Pfandflasche“ galt jahrzehntelang als hochwertig und sinnvoll. Heute sind jedoch auch kurzlebige Flaschen mit einem Pfand belegt und haben dadurch in den Augen der Verbraucher*innen eine Aufwertung erfahren. Das Pfand ist schließlich sogar noch höher! Das bedeutet: Es werden insgesamt deutlich mehr PET-Flaschen verkauft als Glasflaschen. Denn zur Einwegflasche gesellt sich die Mehrwegflasche aus Plastik. Im Gegensatz zu ihrer Einweg-Verwandten hat die jedoch einige klare Vorteile.

Die Plastik-Mehrwegflasche: leicht und praktisch

Eine PET-Mehrwegflasche lässt sich ca. 25-mal wiederbefüllen. Sie ist formstabil und hygienisch. Sie wiegt deutlich weniger als eine Glasflasche, weshalb ihr Transport weniger Energie erfordert, wodurch weniger CO2 emittiert wird. Ist sie nach vielen Reinigungsvorgängen unansehnlich oder beschädigt, lässt sie sich recyceln. Aus dem PET-Rezyclat entstehen aber in der Regel keine neuen Getränkeflaschen, da diese Aufarbeitung nicht besonders effizient ist. Der Rohstoff wird oft für Fasern in der Industrie, aber auch für Kleidung und diverse Kunststoff-Produkte verwendet.

Die Glas-Mehrwegflasche: langlebig, aber schwer

Eine Glas-Mehrwegflasche hält doppelt so lange durch wie eine Mehrwegflasche aus Plastik. Erst nach etwa 50 Reinigungen ist es Zeit für das Recycling. Aus einer alten Glasflasche kann eine neue werden. Das klingt nach einem klaren Punktsieg für die Glasflasche gegenüber der Plastikflasche. Doch Getränkebehälter aus Glas haben auch eine Schwäche: Sie sind vergleichsweise schwer und beanspruchen beim Transport mehr Energie.

Transportstrecken – der unterschätzte Parameter

Wer wirklich nach der nachhaltigsten Getränkeverpackung sucht, muss das Thema Transport immer mitdenken. Am Ende gibt die Zahl der transportierten Kilometer den entscheidenden Ausschlag. Die Faustregel lautet: Je weiter ein Getränk transportiert werden muss, desto wichtiger ist das Gewicht seiner Verpackung. Daraus ergibt sich: Glasflaschen mit Getränken aus der Region sind nachhaltiger als Plastikflaschen mit „weitgereisten“ Getränken. Muss es jedoch wirklich ein entfernt hergestelltes oder gar importiertes Getränk sein, spielt die Plastikflasche ihren Gewichtsvorteil aus.

Problemfall „Individualflasche“

Noch vor wenigen Jahren gab es in Deutschland überwiegend drei Sorten Bierflaschen: die schlanken, die dicken und die kleinen. In Zeiten abnehmenden Bierkonsums müssen sich Hersteller immer wieder neue Ideen einfallen lassen, um Kaufanreize zu schaffen. Die Individualflasche ist so eine Idee. Schicke, ganz eigentümlich geformte Flaschen im Retrodesign wirken wie urige Produkte eines kleinen Unternehmens und sind unverwechselbar. Bei den Verbraucher*innen kommen sie gut an – aber sie haben einen großen Nachteil. Sie können nicht universell gereinigt und wiederverwendet werden und müssen daher größere Wege zurücklegen. Der NABU empfiehlt deshalb, lieber zur guten alten „Poolflasche“ zu greifen und damit Transportwege zu sparen.

Und was ist mit Einwegflaschen aus Glas oder Plastik?

Es stimmt: Auch Einwegflaschen werden recycelt. Doch man darf nie vergessen, dass Recycling energieaufwendig ist. Dies gilt sowohl für Glas- als auch für Plastikflaschen. Deshalb ist es nur allzu logisch, das Recycling so lange wie möglich herauszuzögern. (Dies gilt im Grunde ja für alle Dinge, die wir besitzen – Langlebigkeit ist Trumpf.) Einwegflaschen sind jedoch äußerst kurzlebig. Selbst wenn Recyclingmaterial für die Einwegflasche verwendet wird (was keineswegs überwiegend der Fall ist), fällt ihre Ökobilanz deutlich schlechter aus als die der Mehrwegflasche. Und auch hier spielt der Transport wieder eine Rolle: Die Deutsche Umwelthilfe hat festgestellt, dass Einwegflaschen fast doppelt so weit transportiert werden, da sie deutschlandweit angeboten werden (Stichwort: Discounter). Das Urteil der DHU zu Einweg fällt insgesamt vernichtend aus. Daran ändert auch der Energie- und Wasserverbrauch durch die Reinigung der Mehrwegflaschen nichts – er steht in keinem Verhältnis zum Rohöleinsatz für neue Einwegflaschen.

And the winner is …?

Wir fassen also die Aspekte in Bezug auf die Nachhaltigkeit zusammen (ästhetische sollen hier außen vor bleiben):

Mehrweg-Glasflasche
+ langlebig (bis zu 50-mal befüllbar)
+ gut zu recyceln
- aufgrund des hohen Gewichts energieintensiv bei langen Transporten zwischen Abfüllung und Verkauf
- bei Individualflaschen (z. B. für besondere Biersorten) werden lange Transporte nötig

Mehrweg-Plastikflasche
+ leicht und energiesparend im Transport
+ gut zu recyceln
- weniger langlebig als Glasflaschen (bis zu 25-mal befüllbar)
- PET benötigt fossile Ressourcen, Recycling zu neuen Flaschen nicht effizient genug

Einweg-Flaschen aus Glas oder PET sind – Stand heute – keine ökologisch sinnvolle Alternative. Bei den beiden Mehrwegflaschen macht der Transportweg den Unterschied. Regionales Einkaufen ist also auch aus diesem Grund sehr zu empfehlen.
Übrigens: Gänzlich außer Konkurrenz ist die Kombination Leitungswasser – Wassersprudler. Denn sie spart nicht nur den Transport in den Laden und die Fahrt zum Getränkemarkt, sondern auch die Produktion unzähliger Flaschen ein.

Ein Tipp zum Schluss: Besonders ausführliche und hilfreiche Informationen rund um nachhaltige Getränkeverpackungen finden Sie im „NABU Mehrweg-Guide“.

„Die Faustregel lautet: Je weiter ein Getränk transportiert werden muss, desto wichtiger ist das Gewicht seiner Verpackung.“
Die Autor*in
Heidi Schmitt
Heidi Schmitt
Egal, ob mit ihrem italienischen Hund Panini oder als leidenschaftliche Läuferin: Heidi ist fast immer zu Fuß unterwegs. Die wilde Vermüllung von Grünflächen in ihrer Wahlheimat Frankfurt macht ihr dabei sehr zu schaffen. Mit alltäglichen Clean-up-Aktionen und der Tastatur hält die Bloggerin und Autorin dagegen. Ihr besonderes Interesse gilt außerdem innovativen Recyclingmethoden und verstecktem Elektroschrott in Dingen des Alltags.