©️ Precious Plastic (www.preciousplastic.com)

Plastik

Precious Plastic – Kann Plastik nachhaltig sein?

Plastik ist für viele umweltbewusste Menschen negativ konnotiert und ungern als Material gesehen. Denkt man an die Umweltauswirkungen von Plastik, kommen Bilder von Plastikteppichen im Ozean und an Stränden oder Abfalldeponien in Südostasien in den Kopf. Doch der Müll ist gleichzeitig Wertstoff, den mittlerweile sogar Privatpersonen recyceln können. Wie? Wir erklären es ...

Plastik ist leicht, stabil, flexibel sowie hitzebeständig und wärmedämmend. Der Kunststoff ist daher mittlerweile in nahezu jedem Lebensbereich zu finden. Auch dort, wo man es als Verbraucher*in gar nicht erwarten würde.

Für die Herstellung werden wertvolle Rohstoffe verbraucht. Doch vor allem die langen Zersetzungszeiten sowie der übermäßige Einsatz von Plastik verschlimmern weltweit negative Umweltauswirkungen. Ganze 6,3 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle fielen im Jahr 2019 in Deutschland im privaten, gewerblichen und industriellen Bereich an. Recycelt wird jedoch längst nicht alles. Bisweilen können Maschinen verschiedene Kunststoffe nicht ausreichend effizient trennen, sodass die thermische Verwertung – also die Verbrennung – noch sehr häufig zum Einsatz kommt. Die sortenreine Trennung der Kunststoffe ist allerdings eine Voraussetzung, um recyceln zu können. Und Recyceln lohnt sich.

Eine Bewegung, die gebrauchte Gegenstände aus Plastik nicht als Abfall sieht, sondern als einen Wertstoff, der mit den richtigen Techniken und Maschinen sogar nachhaltig sein kann, ist die „Precious Plastic“-Bewegung (übersetzt: kostbares Plastik).

Kostbares Plastik? Die „Precious Plastic“-Bewegung

Für viele Materialien, wie etwa Holz oder Metall, gibt es verschiedene Möglichkeiten des Recyclings – auch für Privatpersonen. Bisher allerdings nicht für Plastik. Das wollte der Niederländer Dave Hakkens ändern und gründete im Jahr 2012 die Bewegung Precious Plastic. Er wollte Verbraucher*innen und Hobbytüftler*innen ermöglichen, unkompliziert eigene Produkte wie z. B. Lampen aus altem Plastik herzustellen. Prämisse ist bis heute, Umweltverschmutzung durch Plastik umzudenken und eine Maschine zu entwickeln, die das Recyceln niedrigschwellig ermöglicht. Dieses wertvolle Gedankengut samt Bauplänen stellte er vor sechs Jahren kostenfrei und „open source“ ins Internet.

Heute hat die Bewegung über 10.000 aktive Mitglieder und weltweit über 500 Recycling-Shops. Eine Community von über 90.000 User*innen auf Instagram und über 350.000 Abonnent*innen auf YouTube folgt Precious Plastic und unter dem Hashtag #preciousplastic sind über 50.000 Beiträge verschlagwortet. Die Maschinen gibt es mittlerweile in der vierten Generation – sie wurden und werden tausendfach nachgebaut.

Wie genau funktioniert das eigentlich?

Interessierte Personen können sich die Baupläne für die Maschinen herunterladen und nachbauen. Zwar sind die Baupläne kostenfrei erhältlich, das Material muss aber selbst bezahlt werden. Dann wird Plastik gesammelt. Das können Personen, die sich eine eigene Maschine nachgebaut haben, selbst machen und sogar Spenden, z. B. aus der Nachbarschaft, annehmen.

Möchte man keine eigene Maschine bauen, kann man eine der vielen Precious-Plastic-Werkstätten nutzen, um sein Material zu verarbeiten. Für den Prozess eignen sich Verpackungen aus den Kunststoffen HDPE (Hart-Polyethylen), PP (Polypropylen) sowie PS (Polystyrol). Diese müssen gesäubert und ohne Etikett sein, damit sie weiterverwertet werden können.

Im nächsten Schritt wird das Plastik zu Granulat geschreddert. Das Granulat kann bunt sein oder je nach Sortierung farbenrein genutzt werden. Ein weiteres Gerät erhitzt das Granulat auf 170 Grad und schmilzt es ein. Dann kann das zähe Plastik in die gewünschte Form gepresst werden. Die Formen können ebenfalls gekauft werden. Es entsteht ein sehr widerstandsfähiger Artikel, der sogar noch viele Male denselben Prozess durchlaufen kann, ohne an Funktionalität zu verlieren.


Ebenfalls geeignet für dieses Vorgehen sind die während der Covid-19-Pandemie milliardenfach gebrauchten Mund-Nase-Schutzmasken, da sie aus Polypropylen-Vlies bestehen.

Aber auch Plastik aus alten Kühlschränken, Spielzeugen oder Verpackungen kann verwendet werden. Unternehmen wie HolyPoly arbeiten mit altem Plastik unter der Prämisse, dass Plastik im Kreislauf mitunter sogar nachhaltiger als Papier oder Glas sein kann (aus Klimaperspektive). Das Potenzial dieses Ansatzes haben inzwischen auch verschiedene Modelabel erkannt und integrieren Knöpfe und andere Applikationen aus recyceltem Plastik.

Aus der Problemstellung der entstehenden Umweltschäden durch Plastik kann die Precious-Plastic-Bewegung mit einer großen Portion Idealismus einen wahren Wandel schaffen. Die Community wächst schnell und durch den kollektiven Ansatz und das „Open source“-Konzept ist der Einstieg einfach. Es wird noch dauern, bis die Industrie Plastikarten sortenrein trennen und folglich auch verstärkt recyceln kann, aber Ambitionen das Problem anzugehen, gibt es viele. Denn um zu vermeiden, dass es in wenigen Jahrzehnten mehr Plastik als Fische im Meer gibt, muss ein Wandel bezüglich der Nutzung von Kunststoffen erfolgen.


Quellen:

„Precious Plastic ermöglicht Verbraucher*innen und Hobbytüftler*innen, unkompliziert eigene Produkte wie z. B. Lampen aus altem Plastik herzustellen.“
Die Autor*in
Flora Matani
Flora Matani
‚Nomen est omen' oder ‚Der Name ist Programm'. Flora beschäftigt sich seit einigen Jahren mit verschiedenen Themen rund um Nachhaltigkeit. Umgeben von Zimmerpflanzen oder auf ihrem Balkongarten, beschäftigt sie sich mit Tierschutz, fairer Mode oder veganer Ernährung. Für die FES betreut sie nachhaltige Projekte und berät Kunden im Rahmen der Abfallvermeidung. Zudem schreibt Sie redaktionelle Beiträge für den reCYClist.
©️ Precious Plastic (www.preciousplastic.com)
©️ Precious Plastic (www.preciousplastic.com)