Seit dem Übereinkommen von Paris 2015 haben wir einen Rahmenplan, in dem uns die Wissenschaft theoretisch skizziert, wie wir gemeinsam Klimaneutralität erreichen können. Seit 2017 gibt es zudem für einige kapitalmarktorientierte Großunternehmen eine CSR-Berichterstattungspflicht. Eine CO2-Bilanz fließt in diese Berichterstattung ein. Gleichzeitig appellieren 68 große deutsche Unternehmen an die neue Bundesregierung, noch ambitioniertere Klimapolitik zu betreiben. Denn nur ein politischer Rahmen schafft Wettbewerbsgleichheit. Die Kundschaft bewertet das Thema als wichtig und auch ökonomische Vorteile von Risiko- und Kostenminimierung durch Klimaschutz rücken in den Fokus der Öffentlichkeit. Der genaue Klimapfad ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich.
Was ist eine CO2- bzw. Klimabilanz?
Um als Unternehmen Klimaziele zu verfolgen, braucht es einen Überblick darüber, welche Treibhausgase durch das eigene Wirtschaften verursacht werden. Das macht die Klimabilanzierung. Dazu gibt es heutzutage eine Reihe an wissenschaftlichen Berechnungsgrundlagen, die teilweise in mehr oder weniger benutzerfreundlichen Klimabilanzierungstools hinterlegt sind. Sie messen, wie viele Treibhausgase eine bestimmte Aktion, ein bestimmter Verbrauch, eine Leistung oder ein Produkt verursachen. Sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen als auch die Klimabilanzierung selbst arbeiten dabei mit Systemgrenzen – bestimmte Parameter, die abstecken, was erfasst und was ausgelassen wird.
Die Systemgrenzen
Die Systemgrenzen hinter Klimabilanzierungsrechnungen legen fest, welche Schritte im Lebenszyklus von Produkten oder Leistungen betrachtet werden. Dabei werden alle verursachten Treibhausgase (Methan, Lachgas, Kohlenstoffdioxid) in ein sogenanntes CO2-Äquivalent (CO2e) umgerechnet. Ein gutes Bilanzierungstool und gute wissenschaftliche Grundlagen haben die Systemgrenzen natürlich so weit gesteckt, dass alle wichtigen Schritte im Lebensweg eines Produktes oder einer Leistung beachtet werden (können).
Das bedeutet konkret: Ein Produkt kann von der Rohstoffgewinnung über die Weiterverarbeitung bis zur Nutzung und im Bestfall sogar inklusive Wiederverwertung oder -verwendung bilanziert werden (selten fließen auch Entsorgungsemissionen mit ein).
Wie man sich vorstellen kann, ist dies eine immense Aufgabe für involvierte Fachkräfte – es müssen neue Daten gemessen, berechnet und erfasst werden. Wie gehen Unternehmen also vor?
Schritt 1: Ziel und Mission klären
Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick, warum Sie sich auf den Klimapfad begeben: Möchten Sie Informationen über Einsparpotenziale erlangen, interessiert Sie eine „Paris“-kompatible Klimaschutz-Strategie (1,5-Grad-Ziel), wollen Sie Ihre Emissionen kennen, um diese zu kompensieren oder weil die Kundschaft für bestimmte Produkte danach fragt?
Aus den Antworten ergeben sich Hinweise, ob ein Unternehmen einen „Corporate Carbon Footprint“ oder einen „Product Carbon Footprint“ erstellen sollte – möchten Sie also Ihr gesamtes Unternehmen bilanzieren oder ein Produkt?
Schritt 2: Umfang und Verantwortlichkeit festlegen
Hinzu kommt eine weitere wichtige Frage. Laut Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protokoll) ist eine Klimabilanz in sogenannte „Scopes“ unterteilt:
- Scope 1 betrachtet direkte Emissionen, die im Betrieb anfallen, z. B. aus Energie- und Wärmeerzeugung, Kältemittel für die Klimaanlage oder die Fahrzeugflotte
- Scope 2 umfasst indirekte Emissionen, z. B. aus dem Stromverbrauch von zugekauftem Strom
- Scope 3 misst indirekte Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, z. B. Rohstoffe, Logistik, Geschäftsreisen, Mitarbeiteranfahrt und mehr
Laut GHG-Protokoll sind lediglich Scope 1 und 2 für eine Klimabilanz verpflichtend. Es ist also wichtig sich klarzumachen, welchen Umfang die Klimabilanz umfassen soll und wer für die Sammlung, Aufbereitung und Eingabe der Daten verantwortlich ist.
Was passiert im Anschluss mit den Zahlen der Klimabilanz – wie kommen wir zu mehr Klimaschutz und einer robusten Klimaschutzstrategie?
Schritt 3: Expert*in und Bilanzierungstool auswählen, Daten aufbereiten und bewerten
Wenn ein Unternehmen nun eine Klimabilanzierung durchführen möchte, wird die Menge der Einheiten eines bestimmten Produktes in die Klimarechner eingegeben – z. B. Papierverbrauch in Stückzahl, Energieverbrauch in Kilowattstunden, Müllaufkommen in Liter etc. Ein guter Klimarechner bietet dem/der jeweiligen Nutzer*in eine Reihe an Auswahlmöglichkeiten von Produkten und Dienstleistungen sowie von verschiedenen Einheiten, die eingegeben werden können. Es ist teilweise eine aufwändige Aufgabe herauszufinden, welche Leistung oder welches Produkt man mit welcher Einheit eingeben kann, die dann das exakteste CO2-Äquivalent „ausspucken“.
Definitiv lohnt sich die Kooperation mit Expert*innen und transparenten Anbietenden wie Klimaaktiv, Myclimate, ecocockpit (kostenfrei) oder ClimatePartner.
Schritt 4: Klimaneutralität – vermeiden, reduzieren, kompensieren und kommunizieren?
Mit Erstellen und Bewerten der eigenen Klimabilanz steht fest: Wo sind die großen Brocken? Wo lässt sich mit leichten Veränderungen einsparen und wo sind Investitionen notwendig? Und ab welchem Punkt müssen Sie kompensieren?
Der wichtige Schritt vor der Entscheidung für eine Kompensation sollte in jedem Fall Klimaeffizienz sein. Das heißt: Wo kann man gegebenenfalls einfach weniger verbrauchen, weniger einsetzen, Kreisläufe oder saubere Energie- und Wärmequellen nutzen, damit Emissionen gar nicht erst erzeugt werden?
Dieser Prozess ist oft langwieriger und komplizierter als die Erstellung einer Klimabilanz und das Kaufen von Zertifikaten. Es gibt jedoch Fördermöglichkeiten, um diesen Weg zu gehen.
„Gold Standard“ für Klimaneutralität
Wenn ein Unternehmen anstrebt, „klimaneutral“ zu werden, kann das verschiedene Maßnahmen beinhalten. Oft wird das Ziel durch Kompensation der gemessenen Treibhausgasemissionen mit sogenannten Klimazertifikaten erreicht. Hier ist auf „Gold Standard“-Zertifikate zu achten.
Mit Klimazertifikaten kauft man sich Leistungen einer Organisation, die Projekte durchführen, z. B. Aufforstung. Dabei wird CO2 gebunden. Das soll die selbst verursachten Treibhausgase an einem anderen Ort auf der Erde wieder ausgleichen.
Fazit
Da der gesamte Prozess Zeit und somit auch Geld kostet, ist einer der Benefits die Kommunikation gegenüber der Kundschaft. So finden sich auf immer mehr Produkten oder Unternehmensseiten Zertifikate, die die Klimaneutralität anpreisen. Da der Begriff der Klimaneutralität jedoch rechtlich nicht geschützt ist, bleibt auf allen Ebenen noch einiges zu tun.
Egal, welches Ziel sich ein Unternehmen steckt: Es ist wichtig anzufangen. Wie ambitioniert die Ziele sein sollten, kann auch anhand der „Science Based Targets“ (wissenschaftsbasierte Klimaziele) festgelegt werden. Diese helfen Unternehmen dabei auszurechnen, wie hoch sie ihre Reduktionsziele setzen müssen, um zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad beitragen zu können.
Hilfreiche Links:
- UBA-Veröffentlichung Ratgeber freiwillige CO2-Kompensation, 2018
- Handelskammer Hamburg Schrittfolgen CO2-Bilanzierung
- Wer zunächst seinen privaten CO2-Fußabdruck berechnen möchte, wird beim UBA-Rechner fündig
- In Hessen bietet beispielsweise die Landesenergieagentur Unterstützung und Zugang zu ecocockpit
- Checkliste und hilfreiches Erklär-Video aus dem Kinobereich