Kein Geringerer als der Sohn des Zeus, Dionysos, ist der Gott des Weines der alten Griechen. Damit ist zumindest der historische gesellschaftliche Stellenwert des aus vergorenen Trauben hergestellten Getränks klar definiert.
Die griechischen Götter und die, die an sie glaubten, mussten sich im Gegensatz zu uns aber noch nicht mit den Umweltauswirkungen ihres eigenen Produktions- und Konsumverhaltens auseinandersetzen. Und diese Auseinandersetzung macht auch vor den angenehmen Dingen des Lebens keinen Halt. Ja, auch der Wein und anteilig insbesondere seine Verpackung, die Flasche, sind in ihrer Herstellung sehr ressourcenintensiv.
Bordeaux in der Rieslingflasche
Mindestens acht verschiedene Weinflaschenformen gibt es, und alle sprechen bereits durch ihre Form über ihren Inhalt. Unsere Kaufentscheidungen werden also stets von gewissen Gewohnheiten begleitet. So greifen wir beispielsweise nach der bauchigen Bordeauxflasche, wenn wir einen trockenen Rotwein im Sinn haben.
Und diese Gewohnheit setzt sich fort: Bier- und PET-Flaschen sowie Joghurt-Gläser passen in den Pfandautomaten, die Weinflasche ins Altglas. Dieses Einwegsystem kommt jedoch der Ökobilanz einer Flasche Wein teuer zu stehen.
Durchschnittlich 900 Gramm CO2 verursacht eine 0,75-Liter-Flasche Wein, wovon rund 50 % auf die Herstellung der Einwegflasche entfallen.
Die Einwegweinflasche hinterlässt bei umweltbewussten Genießer*innen also einen bitteren Nachgeschmack, ist diese doch die einzige Stellschraube, an der sich ohne Verzicht auf den Genuss überhaupt drehen lässt. Der erste und sinnvolle Impuls: die Mehrwegweinflasche.
Mehrweg = mehr Weg?
Zwischen 2016 und 2020 wurde in Katalonien, Spanien, erfolgreich ein Pilot-Projekt auf den Weg gebracht. Ein Zusammenschluss der katalanischen Abfallbehörde, die Universität Barcelona, zwei Stiftungen, mehrere Weinproduzenten und ein Anbieter von Flaschensammlung und -reinigung testeten mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union ein Mehrwegsystem für Weinflaschen.
Unter Berücksichtigung fünf verschiedener Szenarien und dreier Belohnungssysteme (Pfand, monetäre Belohnung und Verlosung) wurden die Auswirkungen eines Mehrwegsystems für Weinflaschen untersucht. Dabei wurden während des Projektes 150.000 Flaschen mit dem reWine-Label verkauft, von denen mehr als die Hälfte (82.239) Flaschen auch wieder zurückkamen.
Die Analyse zeigte, dass die Einführung eines Mehrwegsystems nicht nur Abfall, sondern auch den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert. Das Potenzial des Systems ist allerdings stark abhängig von der räumlichen Entfernung der verschiedenen Akteur*innen zueinander. Konkret bedeutet dies, dass die positiven Aspekte der Mehrwegflaschen wegfallen, wenn ein LKW diese über längere Distanzen zu einer Waschanlage transportieren muss. Am wirksamsten ist das Mehrwegpfandsystem demnach mit einer Waschanlage direkt bei den teilnehmenden Betrieben vor Ort.
Das Projekt identifizierte fünf Aspekte, die bei der Einführung eines Mehrwertsystems sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht eine wichtige Rolle spielen:
- Die Eigenschaften der Glasflaschen (Wasch- und Bruchfestigkeit)
- Die Organisation von Transport und Sammlung
- Die Entfernung von Flaschenwaschanlage zu den Akteur*innen
- Die Lagerkapazitäten und -bedingungen, vor allem in Supermärkten
- Die optimale Kombination aus Belohnungssystem, Sammelstelle und Konsument*innenbewusstsein
„Gemeinsam zirkulär in die Zukunft zapfen“
Mit diesem Motto hat sich das Start-up Ebb & Flow Keg aus Frankfurt am Main ein gänzlich anderes Mehrwegsystem ausgedacht. Insbesondere die Veranstaltungs- und Gastronomiebranche im Blick, verzichtet das System auf die Glasverpackung und nutzt wiederverwendbare Edelstahlfässer, sogenannte „Kegs“. Diese werden direkt bei den Winzerinnen und Winzern befüllt und können an handelsübliche Zapfanlagen angeschlossen werden.
Dabei sollen nach Aussage des Unternehmens durch die Edelstahlgefäße 40 % der CO2-Emissionen gegenüber der Einwegweinflasche eingespart werden. Eine intern in Auftrag gegebene Studie, die uns vorliegt, bestätigt dieses Reduktionspotenzial.
Die Genießer*innen müssen so zwar auf die gewohnten Flaschenformen und deren oftmals künstlerisch gestaltete Etiketten verzichten, genießen dafür aber umweltbewusst. Darüber hinaus spart die Verwendung dieses großen Mehrweggebindes den Gastronom*innen auch Zeit beim Einschenken und Platz in der Küche.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Mehrwegsysteme in der Weinbranche mögen neu und innovativ klingen, doch gibt es in Baden-Württemberg bereits seit mehreren Jahrzehnten ein funktionierendes Mehrwegsystem für 1-Liter-Weinflaschen.
Dieses System wird nun ausgebaut und auf die 0,75-Liter-Flaschen angewendet. Die neu gegründete „Wein-Mehrweg eG“ hat dazu eine eigene Flasche entwickelt, die sich bis zu 50 Mal befüllen lässt. Neben der Ressourcenschonung und der Energieeinsparung ist auch die Unabhängigkeit der Weinbranche eine Motivation hinter dem Vorhaben.
Die Glasherstellung ist sehr ressourcenintensiv und in Zeiten hoher Energiekosten und sinkender Produktionsmengen rückt ein Mehrwegsystem eben näher an die Innovationsfreude der Akteur*innen heran.
Bereits im Laufe des Jahres 2023 wird das Mehrwegpfandsystem im Getränke- und Weinfachhandel starten. Neue Mitglieder, derzeit sind es noch 12, sind dem Verein willkommen und auch Voraussetzung für die Teilnahme, handelt es sich doch um ein geschlossenes Mehrwegsystem.
Von der Linie zum Kreis
Alle drei vorgestellten Projekte, Unternehmungen und Initiativen weisen eine Parallele auf. Unabhängig von der Motivation ist hier die Entwicklung einer Verpackung vom Wegwerfprodukt in ein zirkuläres Produkt zu beobachten. Oftmals wird im Diskurs über die „Circular Economy“ nach „klaren und umsetzbaren“ Konzepten gefragt, die sich ihren Weg in das Herz und die Funktionsstrukturen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bahnen können.
Et voilá.