Auch im Einzelhandel spielen das kommende „Recht auf Reparatur“ und Sharing-Modelle künftig eine größere Rolle, um Abfall zu reduzieren

Nachhaltigkeit

Mode der Zukunft – vom Recht auf Reparatur und nachhaltiger Mode aus Hessen

Textil- und Bekleidungsabfälle deutscher Privathaushalte haben im letzten Jahrzehnt um 55 % zugenommen (Stand: 2023). Der Trend geht zwar minimal zurück. Was bleibt, sind Unmengen an Rohstoffen, die für die Modeindustrie aufgewandt werden, Färbe-Chemikalien in Flüssen und unfaire Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Doch es geht auch anders.

Auch EU-weit sprechen die rund 6,94 Millionen Tonnen Textilmüll für sich – rund 16 Kilogramm pro Person. Wer sich den Abfall als Kleiderberg aller EU-Bürger*innen vorstellen mag, muss den Kopf weit in den Nacken legen.


Beim Sustainable Fashion Summit in Frankfurt kamen Modeunternehmen aus Hessen zusammen, um über die Transformation ihrer Branche zu diskutieren.

„Mode ist mehr als nur Stoff“, sagte Nina Lorenzen, Referentin von Fashion Changers – und brachte damit auf den Punkt, was in der Branche zunehmend verstanden wird: Kleidung ist Teil eines Systems, das sich radikal verändern muss. Der Summit griff zentrale Themen auf, die auch die EU-Politik, progressive Unternehmen und kritische Konsument*innen beschäftigen – allen voran Recht auf Reparatur, Kreislaufwirtschaft und Zero-Waste-Design.

Reparieren statt entsorgen: ein Kulturwandel

Bei der Veranstaltung im Museum Angewandte Kunst Frankfurt wurde deutlich, wie groß das Potenzial von Reparaturservices ist – nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich. Der Outdoor-Hersteller Vaude etwa bietet Ersatzteile für seine Produkte und kooperiert mit Plattformen wie iFixit. Das schwedische Label Nudie Jeans repariert jede Jeans kostenlos – auch nach Jahren. Laut Summit-Expert*innen zeigt sich hier ein neuer Umgang mit Kleidung: nicht als Wegwerfprodukt, sondern als langlebiger Begleiter. Dies machte insbesondere auch Lena Böringschulte, Head of Sustainability bei Peek & Cloppenburg Düsseldorf, während der Podiumsdiskussion mit dem Handelsverband Hessen deutlich.

Die EU hat diesen Wandel aufgegriffen: Mit der neuen Richtlinie zum Recht auf Reparatur sollen Hersteller verpflichtet werden, auch nach Ablauf der Garantie Reparaturen anzubieten und Ersatzteile bereitzustellen. Zwar betrifft das Gesetz zunächst vor allem Elektrogeräte – doch die Weichen für Textilien sind gestellt. In Kombination mit der kommenden Ökodesign-Verordnung könnte sich die Verpflichtung zur Reparierbarkeit bald auch auf Mode ausweiten.

Kreislaufwirtschaft & Zero Waste: von der Idee zur Praxis

Noch nachhaltiger wird es, wenn man Mode von Anfang an im Kreis denkt. Der Summit präsentierte inspirierende Ansätze: Das niederländische Label MUD Jeans etwa bietet ein Leasingmodell für Jeans – nach einem Jahr gehen sie zurück an die Firma, werden repariert, als Secondhand verkauft oder zu neuen Garnen recycelt. So bleibt die Faser im Umlauf. Auch Upcycling-Startups aus der Rhein-Main-Region zeigten, wie aus vermeintlichem Abfall neue Unikate entstehen.

Auch die Europäische Union verfolgt mit ihrer Textilstrategie 2030 ein klares Ziel: Kleidung soll langlebig, reparierbar, recycelbar sein und überwiegend aus recycelten Fasern bestehen. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen Textilprodukte außerdem frei von gefährlichen Chemikalien und unter fairen Bedingungen produziert sein.

In Zahlen klingt das ambitioniert – denn aktuell werden nur etwa 1 % der weltweit produzierten Textilfasern tatsächlich zu neuer Kleidung recycelt. Der Großteil der Alttextilien wird entweder downgecycelt (z. B. zu Putzlappen) oder thermisch verwertet. Gründe dafür sind technische Hürden beim Recycling von Mischgeweben, fehlende Sortier- und Recyclinginfrastruktur sowie unzureichende ökonomische Anreize.

Die Strategie sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor:

  • Ökodesign-Vorgaben (z. B. Mindeststandards für Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit),
  • Einführung eines Digitalen Produktpasses mit Material- und Herkunftsinformationen,
  • ein Verbot der Vernichtung unverkaufter Kleidung
  • sowie ein EU-weites System erweiterter Herstellerverantwortung, das Produzierende an Sammlung und Wiederverwertung beteiligt.

Langfristig soll so eine funktionierende Kreislaufwirtschaft für Textilien aufgebaut werden – mit dem Ziel, Ressourcen zu schonen, Abfall zu vermeiden und Umweltauswirkungen entlang der gesamten Lieferkette zu verringern.

Doch Nachhaltigkeit beginnt bereits im Designprozess. Zero-Waste-Design bedeutet, statt Verschnitt zu produzieren, Kleidungsstücke so zu gestalten, dass kein Stoff übrigbleibt – etwa mit intelligenten Schnittmustern oder modularen Designs.


Was Unternehmen, Politik und Verbraucher*innen jetzt tun können

Der Summit machte klar: Es gibt keinen Mangel an Ideen, sondern an Umsetzung. Dabei gibt es realistische Hebel:

  • Design für Langlebigkeit: Reißverschlüsse, Knöpfe, Nähte – schon im Design kann Reparierbarkeit berücksichtigt werden.
  • Transparenz: Labels wie ArmedAngels oder Veja zeigen, wie glaubwürdige Kommunikation funktioniert – etwa mit QR-Codes zu Lieferketten.
  • Kreislaufmodelle: Vom Rücknahmesystem bis zur eigenen Secondhand-Plattform – die Technik ist da, der Wille muss folgen.

Die Rolle der Kundschaft wurde auf dem Summit nicht ausgeklammert. Nachhaltige Mode braucht bewusstes Konsumverhalten: weniger, dafür besser kaufen. Kleidung länger nutzen, reparieren oder weitergeben – etwa über Plattformen wie Vinted oder beim Kleidertausch.

Initiativen wie der französische „Reparaturbonus“ (wir berichteten), bei dem Bürger*innen bis zu 25 € Zuschuss für die professionelle Reparatur von Kleidung erhalten, könnten auch in Deutschland Schule machen. Sie zeigen: Nachhaltiger Konsum darf keine Frage des Einkommens sein – es braucht politische Flankierung.

Herausforderungen: Zwischen Ideal und Realität

Trotz aller Fortschritte bleibt vieles ungelöst: Textilrecycling ist technisch komplex, besonders bei Mischgeweben. Kleine Labels kämpfen mit hohen Zertifizierungskosten. Und das Grundproblem bleibt: Fast Fashion ist nach wie vor allgegenwärtig, billig – und damit verlockend.

Der Summit war sich jedoch einig: Die EU-Politik bringt Bewegung ins System. Wer jetzt umsteigt, ist nicht nur Vorreiter, sondern auch vorbereitet – auf kommende Pflichten zur erweiterten Herstellerverantwortung, Produktpässe oder das drohende Verbot der Vernichtung unverkaufter Ware.

Der Sustainable Fashion Summit, gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, hatte eine klare Botschaft: Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern die einzige zukunftsfähige Richtung. Eine Sprecherin des Summits brachte es auf den Punkt: „Kleidung erzählt Geschichten – es ist Zeit, dass sie die richtigen erzählt.“

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Nina Lorenzen, Fashion Changers
Die Autor*in
Lukas Glöckner
Lukas Glöckner
Lukas ist Mediengestalter und Kommunikationsmanager B.A. Er kommt aus dem Bereich "CSR" eines Familienunternehmens und arbeitet nun bei "Lust auf besser leben". Er ist im Herzen ein stets kreativer und besonnener Hands-on-Teamplayer - und schreibt für sein Leben gern. Am liebsten über neue Innovationsthemen, die er sich selbst "drauffschaffen" muss.
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