Energiesparen

Die Serverfarm-Challenge – Wärme und Energie aus dem Internet?

Bis 2050 wird Deutschland klimaneutral. Das Ziel steht im Spannungsfeld mit steigenden Energiebedarfen, die auf unsere digitale Lebenswelt zurückzuführen sind. Dabei entsteht in Rechenzentren eine Menge an Wärme, die bisher kaum genutzt wird. Wir erklären, wie Wärme- und Energierückgewinnung möglich ist, welchen Herausforderungen wir dabei begegnen, und berichten von gelingenden Praxisbeispielen.

In Deutschland gibt es rund 3.000 größere Rechenzentren. Frankfurt am Main ist dabei mit London der größte Hotspot in Europa. Allein in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main werden die Kapazitäten aufgrund des digitalen Trends voraussichtlich bis 2025 verdoppelt – und der größte Internetknoten der Welt, De-Cix in Frankfurt, greift bereits auf rund 400.000 m2 Serverfarm-Fläche zurück. Dabei kann ein Rechenzentrum allein so viel Strom verbrauchen wie 25.000 private Haushalte.

Denn vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen sind wir mittlerweile auf eine funktionierende digitale Infrastruktur angewiesen. Diese soll bis 2030 innerhalb der EU klimaneutral betrieben werden. Für einen klimaneutralen Serverfarm-Betrieb sind 100 Prozent erneuerbare Energiequellen ein Muss. Wie wir wissen, ist dafür ein flächendeckender Ausbau notwendig, der in der aktuellen Energiekrise drängender ist denn je. Eine fast noch größere Rolle spielt jedoch die Nutzung von Abwärme, also der im Betrieb der Rechenzentren entstehenden Wärme.

Einerseits können so CO2-Emissionen eingespart werden, da mithilfe der Zweitverwertung der Wärme weniger Erdöl oder -gas bezogen werden muss. Andererseits könnten Kosten eingespart werden, da die Energiepreise steigen.

Im Data-Hotspot Frankfurt am Main könnten durch eine effiziente Abwärmenutzung von Serverfarmen bis 2030 theoretisch alle Wohn- und Büroräume klimaneutral geheizt werden. Mit dem „Climate Neutral Data Centre Operator Pact“ hat sich die Branche sogar dazu verpflichtet, dass alle europäischen Rechenzentren bis 2030 klimaneutral werden. Ob das gelingt, ist noch offen.

Herausforderungen einer klimaneutralen IT-Infrastruktur

Laut dem Internetverband Bitkom setzen bislang weniger als 50 Prozent der Rechenzentren ihre Abwärme ein. Denn Abwärmenutzung ist bisher oft nicht wirtschaftlich. Das liegt vor allem an unserer Infrastruktur und technischen Herausforderungen. Doch einen Schritt zurück: Wie entsteht eigentlich Abwärme?

Wer sich dieser Tage im Büro verzweifelt nach einem kühlen Kellerraum gesehnt hat (Tipps zum klimafreundlichen Abkühlen im Büro gibt’s hier), wird festgestellt haben, dass viele Laptops mit steigenden Außentemperaturen und höherer Belastung zu glühen beginnen.

So ähnlich ist es mit den Rechenzentren auch – nur in groß. Um die Serverparks zu kühlen, Überhitzung zu verhindern und damit Cybersicherheit und eine verlässliche digitale Infrastruktur zu gewährleisten, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

  1. Luftkühlung

Klassische Rechenzentren verbrauchen für die Kühlung zusätzlich rund 50 Prozent ihres Energiebedarfs und teilweise umweltschädliche Kältemittel, weil Kälte mechanisch erzeugt wird. HFKW-Kältemittel schädigen die Ozonschicht und werden innerhalb der EU nur noch bis 2030 erlaubt sein. Klingt wenig verlockend. Andere operieren schlichtweg mithilfe von Kühlung durch die Außenluft oder mit natürlichen Kältemitteln.

  1. Flüssigkühlung

Eins vorweg: Für die Wasserkühlung eines großen Rechenzentrums können bis zu mehreren Millionen Liter Wasser pro Jahr verbraucht werden. Daher steht hier die Frage nach zirkulärer Ressourcennutzung mit an oberster Stelle.

Laut Umweltbundesamt wird bei der Flüssigkühlung Abwärme direkt vom Server, also beispielsweise von Prozessor oder Grafik-Chip, abgeführt. Bei einer Warmwasserkühlung beträgt die sogenannte Vorlauftemperatur zwischen 45 und 50 Grad, zurück kommt gewärmtes Wasser mit bis zu 60 Grad. Die so entstehende Wärme könnte zum Heizen oder für die Warmwasseraufbereitung anliegender Gebäude genutzt werden.

Warum im Konjunktiv? Selbst wenn Rechenzentren technisch aufgerüstet und für die Abwärmenutzung modernisiert werden, bleibt die Frage nach der Energieabnahme häufig eine Herausforderung.

In Deutschland haben wir es mit Nah- und Fernwärmenetzen zu tun. Dabei werden Fernwärmenetze einerseits mit viel längeren Planungshorizonten entwickelt als Serverfarmen, die gerade in der Metropole buchstäblich aus dem Boden sprießen. Wenn kein anschlussfähiges Fernwärmenetz in der Umgebung vorhanden ist, scheitert diese Lösung – beispielsweise im nachhaltigen Gewerbegebiet Frankfurt, in dem Rechenzentren verortet sind, diese jedoch auf ihrer Wärme „sitzen bleiben“.

Hinzu kommt: Um ins Fernwärmenetz eingespeist zu werden, bedarf es meist einer Temperatur von 90 Grad oder mehr. Für die Einspeisung in ein Wärmenetz ist also eine Wärmpumpe erforderlich, um die Abwärmetemperatur mit den Bedarfen des Netzes kompatibel zu machen.

Etwas einfacher kann die Nutzung der Abwärme für neue, smarte Quartiere sein. Denn dezentrale Energieversorgung liegt im Trend. Die Abwärme von Rechenzentren könnte also in der direkten Nachbarschaft genutzt werden. Ideen, wie Schwimmbäder, Schulen oder Gewächshäuser mit Abwärme zu heizen, sind nicht neu. Das kann gelingen, wie wir im Folgenden zeigen werden.

Praxisbeispiel Frankfurt am Main: Eurotheum

Mit über 60 Datacentern und dem weltweit größten Internetaustauschknoten liegt die Vermutung nahe, dass Klimaneutralität ohne die Mithilfe der Rechenzentren ein unmögliches Unterfangen für die Mainmetropole darstellt.

Das Hochhaus Eurotheum in Frankfurt bzw. dessen Heizung und Warmwasser werden deshalb mithilfe der Abwärme eines Servers versorgt, der sich von lediglich 50 m2 IT-Fläche bedient. Auch das Frankfurter Gallusviertel soll ab 2023 mindestens zu 60 Prozent mit der Abwärme eines benachbarten Rechenzentrums versorgt werden. Weitere Kollaborationen werden laut Energieversorger Mainova folgen. Erklärtes Ziel ist es, auch andere Rechenzentren an das Fernwärmenetz anzuschließen.

Praxisbeispiel Stockholm und Uitikon

In der schwedischen Hauptstadt leiten Fernwärmerohre die Abwärme des Rechenzentrums „Elementica“ nach einer Angleichung der Temperaturen direkt zu einem Biomasseheizkraftwerk. Dort entsteht Fernwärme, die in das Fernwärmenetz der Stadt Stockholm eingespeist wird.

Insgesamt zeigt Schweden, dass Klimaschutz und Serverfarmen Hand in Hand gehen können. Innerhalb der sogenannten „Data Parks“ können Rechenzentren ihre Abwärme in das Fernwärmenetz einspeisen. Es gibt bereits 30 Zentren, die ihre Abwärme<br/>einspeisen. Das erklärte Ziel: 80.000 beheizte Wohnungen.

In Uitikon (Schweiz) heizt ein von IBM Schweiz umgesetztes Rechenzentrum das örtliche Hallenbad. Bei Vollleistung könnten damit alternativ bis zu 80 Einfamilienhäuser ein Jahr lang beheizt und mit Warmwasser versorgt werden – von den CO2-Einsparungen einmal ganz abgesehen liegen hier auch sozialpolitische Potenziale für die künftige Bezahlbarkeit von Energie für alle Einkommensklassen.

What’s next?

Um das Potenzial der Abwärmenutzung auszuschöpfen, müssen innovative, integrierte Nutzungsmöglichkeiten für Abwärme erschlossen werden, z. B. im Bereich der Landwirtschaft und der dezentralen Quartiersversorgung.

Doch auch technischer Fortschritt, eine bessere und gezieltere Information der Betreiberfirmen und verlässliche politische Rahmenbedingungen sind gefordert.

Das „Blauer Engel“-Siegel des Umweltbundesamtes für Rechenzentren bildet einen weiteren Baustein für eine nachhaltige Digitalisierungswende. Seit 2011 können sie mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet werden und ihre Umweltbilanz bestätigen lassen.

Weiterführende Informationen:

„Der größte Internetknoten der Welt De-Cix greift bereits auf rund 400.000 m2 Serverfarm-Fläche zurück.“
Die Autor*in
Marlene Haas
Marlene Haas
Als Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens "Lust auf besser leben" und Nachhaltigkeitkeitsaktivistin schlägt Marlenes Herz für alle Themen rund um Zero Waste, Klimaschutz und Circular Economy. Die Frankfurterin tüftelt am liebsten an neuen Ideen, die andere für nicht machbar halten, oder schreibt für RECYCLIST. Ansonsten cruist sie mit ihrem Sohn im Gepäck auf dem Cargobike durch die Region oder bemüht sich um einen grünen Daumen an ihren Hopfenpflanzen.