Kollisionen im All sorgen für mehr Müll

Unternehmen

Weltraumschrott vermeiden: Hessisches Start-up tüftelt an Frühwarnsystem im All

Während die Kommerzialisierung des Weltalls mit immer günstigeren und leistungsfähigeren Raketen und Satelliten voranschreitet, beschäftigt sich das Start-up Vyoma aus Darmstadt mit der (Früh-)Erkennung möglicher Kollisionen von Satelliten und Raumschiffen, die zu gefährlichem Weltraumschrott werden.

In einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern ziehen zehntausende Objekte ihre Runden. Ein kleiner Anteil dieser Objekte, zum 30. April 2022 ca. 5.500, sind Satelliten. Etwa 20.000 dieser Objekte sind „Weltraumschrott“ mit einer Größe von mindestens zehn Zentimetern.

Beide Zahlen werden in Zukunft wohl noch weiter steigen, da die Kosten für Satelliten sinken und sich immer mehr Unternehmen eigene Experimente leisten können. Während in der bisherigen Geschichte der Raumfahrt jährlich circa 100 neue Satelliten pro Jahr ins All geschossen wurden, sind es heute bereits rund 1.800 künstliche Objekte, die wir jährlich im Gravitationsfeld der Erde platzieren.

Zur Veranschaulichung künftiger Entwicklungen: Allein das Unternehmen Starlink von Elon Musk will mit insgesamt 42.000 Satelliten global flächendeckendes Internet anbieten.

Mit für uns unfassbaren 28.000 Kilometern pro Stunde rasen die künstlichen Objekte durch die Schwerelosigkeit, umrunden die Erde alle 90 Minuten und kollidieren ab und zu miteinander. Schon seit 1957 gibt es hunderte nachgewiesene Kollisionen von Objekten im Weltraum.

Was passiert bei Kollisionen im Weltraum?

Prallen zwei Objekte mit dieser Geschwindigkeit aufeinander, werden unglaubliche Energiemengen freigesetzt. Im Juli 2009 ereignete sich eine besonders spektakuläre Kollision: In knapp 800 Kilometern Höhe prallte der amerikanische Kommunikationssatellit „Iridium 33“ mit fast 12 Kilometern pro Sekunde auf den russischen Aufklärungssatelliten „Kosmos 2251“. Die bei dem Aufprall freigesetzte Energie entsprach circa 10 Tonnen TNT-Sprengstoff – auf der Erde würden durch diese Energie im Umkreis von 100 Metern schwere Schäden an Stahlbauwerken wie Häusern verursacht und PKWs durch die Luft geschleudert werden.

Der beschriebene Zusammenprall hatte schätzungsweise 100.000 kleine Teilchen von einem Zentimeter oder größer zur Folge, die sich jetzt potenziell auf Kollisionskurs mit allen anderen Objekten befinden.

Die Gefahr durch einen Zusammenstoß dieser Teilchen führte bereits öfter zu Kurskorrekturen der internationalen Raumstation ISS. Im November 2021 musste sich gar die komplette Besatzung in zwei Raumschiffen vor einer Kollision in Sicherheit bringen. Trotz anschließender Entwarnung, der Raum um die Erde wird mit jedem neuen künstlichen Objekt gefährlicher.

Grund dafür ist der sogenannte „Kessler-Effekt“. Wenn zwei Objekte kollidieren, stoßen deren Fragmente mit anderen Objekten zusammen und produzieren weitere Bruchstücke. Schließlich treffen Kollisionsobjekte auf Kollisionsobjekte und es kommt zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion.

Welche Richtlinien hat sich die Raumfahrt als Reaktion darauf ausgedacht?

Damit die Anzahl des Weltraumschrotts in Zukunft reduziert wird, haben die führenden Weltraumorganisationen unter dem Dach der „Inter Agency Space Debris Coordination“ (IADC) bereits Richtlinien erarbeitet. In Zukunft sollen

  • Raumfahrzeuge während ihrer Missionen möglichst wenig Abfall abwerfen,
  • Treibstofftanks und Batterien vollständig entleert werden, um das Risiko von Explosionen zu verringern,
  • Satelliten planmäßig durch das Verglühen in der Erdatmosphäre „außer Betrieb“ genommen werden
  • oder durch einen Wechsel auf die sogenannte „Friedhofsbahn“ in größerer Höhe für andere Objekte keine Gefahr mehr darstellen.

Darüber hinaus beschäftigt sich auch der Weltraumausschuss der Vereinten Nationen (COPUOS) unter anderem auch mit diesem Thema. Um Zusammenstöße von Satelliten grundsätzlich zu vermeiden, sollen deren Flugbahnen transparent und öffentlich sein. Hier setzt das Unternehmen Vyoma mit seiner Entwicklung von helfenden Systemen an.

Abfallvermeidung und -entsorgung: Lösungen für Weltraumschrott

Der Artikel „Geschäftsmodell Weltraum-Müll-Entsorger" beschäftigt sich mit Maßnahmen und Techniken, um den bereits bestehenden Weltraumschrott einzufangen und zu entsorgen. Ergänzend dazu entwickeln staatliche Organisationen sowie privatwirtschaftliche Unternehmen ein geeignetes „Frühwarnsystem" für mögliche Kollisionen.

Eines dieser Unternehmen ist das Darmstädter Start-up Vyoma, das als Dienstleister für Weltraumorganisationen wie die ESA Daten zur Bewegung von Satelliten erfasst und Berechnungen zu Ausweichmanövern bei Kollisionsgefahr bereitstellen möchte. Dazu soll bereits 2024 ein erster Satellit gestartet werden. Mittelfristig soll dann eine Konstellation aus zwölf optischen Kameras die Bewegungen hunderter Objekte gleichzeitig erfassen und somit vermeiden, dass überhaupt Müll im All entsteht.

Selbstverständlich freut sich nicht zuletzt die Europäische Raumfahrtagentur ESA über die Neugründung. Schließlich wird das Unternehmen mit seiner Entwicklung sicherstellen, dass Satelliten auch in Zukunft ungestört um die Erde kreisen können.

Doch bei aller Euphorie rund um die Eroberung der Sterne und Innovationen bezüglich der Sicherheit im Weltall, den höchsten Preis pro Raketenstart bezahlt die Umwelt des Planeten Erde.

Quellen:

„Während in der bisherigen Geschichte der Raumfahrt jährlich circa 100 neue Satelliten pro Jahr ins All geschossen wurden, sind es heute bereits rund 1.800 künstliche Objekte, die wir jährlich im Gravitationsfeld der Erde platzieren.“
Die Autor*in
Lukas Glöckner
Lukas Glöckner
Lukas ist Mediengestalter und Kommunikationsmanager B.A. Er kommt aus dem Bereich "CSR" eines Familienunternehmens und arbeitet nun bei "Lust auf besser leben". Er ist im Herzen ein stets kreativer und besonnener Hands-on-Teamplayer - und schreibt für sein Leben gern. Am liebsten über neue Innovationsthemen, die er sich selbst "drauffschaffen" muss.