Umwelt

Windelrecycling schützt das Klima

Mit Baby vervielfacht sich oft das Abfallaufkommen. Windeln spielen dabei eine große Rolle. Was also für den ökologischen Fußabdruck tun? Statt Einwegwindeln im Restmüll zu entsorgen, können Windeln recycelt werden. Wir stellen ein Pilotprojekt vor.

Die Eltern unter uns werden es kennen: Jahrelang bemühen wir uns darum, umweltbewusster zu leben und im Kleinen Gutes zu tun. Vielleicht haben Sie wie ich begonnen, sich regionaler zu ernähren oder den eigenen Beutel zum Einkaufen mitzunehmen? Mein Müllaufkommen habe ich drastisch reduziert, keine Gurke landet mehr im sogenannten „Hemdchenbeutel“ aus Plastik.

Das Toilettenpapier daheim ist aus Recyclingmaterial und nicht vierlagig, das hat mittlerweile sogar mein Partner verkraftet. Einwegbecher sind seit langer Zeit „out“ und wenn ich doch mal einen Kaffee-to-go trinke, dann natürlich als Mehrwegvariante mit unserem hiesigen Pfandsystem #MainBecher. Meine Reisen wurden in nähere Gebiete verlegt, auch die Ostsee kann bei richtigem Licht karibisch wirken. Der geringere CO2-Fußabdruck liefert dazu eine Endorphin-geladene Genugtuung. Nach jahrelanger Bemühung also schaffte ich mir ein rundum grüneres Lebensgefühl. Und dann …

Überall Windeln – bio, Mehrweg, recycelbar?

Dann erblickt ein kleines Lebewesen das Licht der Welt … Das Glück darüber könnte kaum größer sein. Und der daraus resultierende Müllberg auch nicht. Denn ein Baby kann wirklich viel ausscheiden, und zwar in allen erdenklichen Farben und Konsistenzen. Keine davon möchte ich gerne in meinem Bett haben.

Für Menschen wie mich ist das frustrierend – als Single umweltbewusst leben, als Eltern plötzlich nicht mehr? Dabei versuchen wir bereits, Mehrwegwindeln zu nutzen, nehmen einen „Oldschool“-Waschlappen statt der ökologisch desaströsen Feuchttücher – und trotzdem ist das Abfallaufkommen gefühlt um 200 Prozent gestiegen, seit das kleine Früchtchen auf der Welt und seine Verdauung beeindruckend aktiv ist.

Wie so oft beim Thema Nachhaltiger Konsum gibt es für mich nun zwei Wege, um mich mit dem Thema zufriedenstellend auseinanderzusetzen:

  1. Bewusster einkaufen und auf Ökosiegel, Wiederverwendung und Abfallvermeidung achten.
  2. Der Produktion und Entsorgung des unvermeidbaren Abfalls auf die Spur gehen und verstehen, was dahintersteckt und welche Innovationen es vielleicht schon gibt.

Der Weg einer Windel – vom Kinderpopo zum Rezyklat

Der Ansatz, Abfallvermeidung zu priorisieren, spiegelt sich auch in der sogenannten Abfallhierarchie wider. Doch das geht nur bis zu einem gewissen Grad und mich interessiert vor allem das Verbesserungspotenzial der Einwegwindel, die ich nicht vermeiden kann. Wird jede Windel verbrannt? Denn das ist es ja, was meist mit unserem Restmüll passiert, oder?

Antworten finde ich bei Deutschlands größtem Recyclingunternehmen Remondis: Jeden Tag landen allein in Deutschland Millionen Einwegwindeln im Hausabfall und damit in der Abfallverbrennungsanlage. Durch ihre thermische Verwertung wird zwar Energie gewonnen, es geht aber auch welche verloren. Denn in einer Windel sind diverse Kunststoffe verarbeitet. Diese zu verbrennen, ist suboptimal. Denn auch Abfall besteht aus Wertstoffen, die recycelt gehören.

Deshalb macht Remondis im holländischen Weurt bei Nimwegen ein Pilotprojekt mit einer nachhaltigen Recyclinganlage speziell für Windeln. Eine Idee, die bereits seit 2013 sukzessive ausgefeilt wird.

Das passiert beim Windelrecycling

Das Recycling eines komplexen Kunststoffproduktes funktioniert in dieser Anlage mit thermischer Druckhydrolyse. Das ist ein Verfahren, das die Windel bei 250 Grad Celsius und 40 Bar Druck einschmilzt. Infolgedessen können die einzelnen Bestandteile der Windeln – in erster Linie Polymere und Zellstoff – separiert und somit zurückgewonnen werden. Am Ende erhält man hochwertige Recyclingrohstoffe in Form von Kunststoffgranulaten und Papier, die erneut der Produktion zugeführt werden können.

Das Restmaterial wird anschließend mit vergärtem Klärschlamm angereichert. So entsteht Biogas als Basis für umweltfreundlichen Strom.

Seit Mitte 2021 kann die Anlage jährlich 15.000 Tonnen Windeln verarbeiten. Vorausgegangen ist dem Anlagenbau eine mehrere Jahre dauernde Versuchsreihe mit Forschungspartnern wie der Uni Brandenburg.

Wie kommt die Windel in die Mülltonne?

Mittelfristig soll das Verfahren an weiteren europäischen Standorten etabliert werden. Denn Windelmüll gibt es in jedem Land. Beim Recherchieren frage ich mich daher, wie das logistisch funktioniert? Neben dem Bio- auch ein Windelmülleimer?

In einigen europäischen Ländern findet eine solche Getrennterfassung bereits statt. Andere – unter anderem Deutschland – haben entsprechende Sammelsysteme noch nicht eingeführt.

Zielführend ist es, wenn Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeheime spezielle Entsorgungskonzepte anbieten, die das Getrennterfassen von Windeln beinhalten, und entsprechende Sammelsysteme zur Verfügung stellen.

Windelrecycling ist gut fürs Klima

Jährlich produziert die Windelrecyclinganlage in Nimwegen so viel Biogas, wie es braucht, um 1.000 Familienhaushalte mit Strom zu versorgen. Aus den Rezyklaten wiederum entstehen neue Produkte wie beispielsweise Blumentöpfe.

Windeln zu recyceln ist also klimaschonender, als sie zu verbrennen. Die finale jährliche Verarbeitungskapazität der Anlage von 15.000 Tonnen Windeln entspricht dabei einer CO2-Einsparung von 14.460 Tonnen.

Das Äquivalent dazu wären ca. 15 One-Way-Flüge von Frankfurt am Main nach Lissabon oder die Pro-Kopf-Jahresemission von 25 Äthiopier*innen. Bei über drei Milliarden Wegwerfwindeln in Deutschland pro Jahr ist das Ansporn genug, das Thema voranzutreiben.

Remondis ist Partner des Onlinemagazins „ReCYClist“. Wer mehr erfahren möchte, findet spannende Informationen auf: https://www.remondis-nachhaltigkeit.de/. Dieser Artikel ist in Teilen übernommen aus „Frische Windeln machen glücklich, gebrauchte eher weniger“.

„Jährlich produziert die Windelrecyclinganlage in Nimwegen so viel Biogas, wie es braucht, um 1.000 Familienhaushalte mit Strom zu versorgen. “
REMONDIS
Die Autor*in
Marlene Haas
Marlene Haas
Als Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens "Lust auf besser leben" und Nachhaltigkeitkeitsaktivistin schlägt Marlenes Herz für alle Themen rund um Zero Waste, Klimaschutz und Circular Economy. Die Frankfurterin tüftelt am liebsten an neuen Ideen, die andere für nicht machbar halten, oder schreibt für RECYCLIST. Ansonsten cruist sie mit ihrem Sohn im Gepäck auf dem Cargobike durch die Region oder bemüht sich um einen grünen Daumen an ihren Hopfenpflanzen.