Und plötzlich sind fünf Jahre "zu alt"
400 Millionen PCs weltweit, so schätzt das US-amerikanische Verbraucher- und Umweltschutznetzwerk PIRG, sind vom Support-Ende für Windows 10 betroffen. Eine riesige Menge Elektroschrott, die nicht durch einen Geräte-Defekt, sondern nur durch "Software-Obsoleszenz", eine erzwungene Produktalterung zustande kommt. Denn es trifft keineswegs nur "olle Kisten" – auch Computer, die 5–7 Jahre alt sind, können betroffen sein, wenn sie z. B. keinen TPM-Chip oder eine inkompatible CPU haben. Ein Beispiel: Ein Laptop von 2018 mit i5-Prozessor, 8 GB RAM und SSD wäre für Office, Internet oder Streaming noch absolut ausreichend. Trotzdem ist er mit Windows 11 nicht mehr kompatibel und verliert ab Oktober 2025 den Sicherheits-Support (Ausnahme: siehe Update am Ende dieses Textes). Die Kritik am Hersteller Microsoft kommt von vielen Seiten. Nils Kaczenski vom Computermagazin iX nennt den Wechsel eine "Unverfrorenheit as a Service". Auch die Verbraucherzentralen, die umfangreich über das Thema informieren, weisen auf die beispiellose Umweltbelastung durch Altgeräte hin.
Obsoleszenz durch Software – nicht nur bei Windows-Computern
Der erzwungene Ruhestand von Windows Computern ist nicht der einzige Fall von Obsoleszenz durch Software. Auch viele Smartphones werden nur noch 3–5 Jahre mit möglichen Updates ausgestattet. Und auch hier ist das Thema Sicherheit hochrelevant – Banking-Apps und viele andere Online-Dienste verweigern die Nutzung. Software-Obsoleszenz kennen wir auch von Routern (direkte Angriffspunkte für Hacker), Smart-TVs, die plötzlich nicht mehr mit dem Streamingdienst kompatibel sind und natürlich von Druckern, die sich nicht mehr vom Computer ansteuern lassen (wir haben uns ja schon einmal mit geplanter Obsoleszenz bei Druckern beschäftigt). Doch obwohl es all diese Beispiele gibt, hat das Ende von Windows 10 doch eine ganz besondere, globale Dimension mit einem Stichtag, der Millionen Nutzer*innen betrifft.
Das Ende von Windows 10 – das können Sie tun
Die gute Nachricht: Es gibt einige Optionen, über die Sie jetzt nachdenken können.
Option 1: Prüfen, ob der eigene Computer doch noch fit für Windows 11 ist
Zunächst einmal das naheliegendste: Mit dem kostenlosen PC Health Check (als ob Ihr Computer "krank" wäre …) können Sie herausfinden, ob Ihr Computer betroffen ist. Gegebenenfalls genügt das Aufrüsten des Arbeitsspeichers. Lassen Sie sich dazu am besten bei Ihrem lokalen Computer-Service beraten.
Option 2: Erweiterte Sicherheitsupdates (ESU) nutzen
Aber Achtung! Damit verlängern Sie nicht etwa den üblichen Support für Windows 10. Es handelt sich um einen stark eingeschränkten, zeitlich limitierten (und teilweise kostenpflichtigen) Service. Diese Option sollten Sie nur für eine kurzfristige Überbrückung wählen.
Option 3: Alternativen zu Windows entdecken
Linux ist ein vollwertiges Betriebssystem und eine kostenlose Alternative zu Windows. Es verlängert die Lebensdauer vieler Rechner, weil es auch auf älterer Hardware flüssig läuft. Genauer gesagt ist Linux nicht nur ein Betriebssystem, sondern es gibt viele verschiedene "Geschmacksrichtungen", die man Distributionen nennt.
– Linux Mint (sieht aus wie Windows, daher für Umsteiger sehr angenehm)
– Ubuntu (weit verbreitet, sehr stabil, viel Hilfe im Internet)
– Zorin OS (speziell für Menschen, die von Windows oder macOS wechseln)
Updates werden hier für viele Jahre garantiert. Für meisten alltäglichen Programme gibt es Linux-Entsprechungen. Auch hier lohnt sich eine Beratung. In Frankfurt am Main hilft etwa die Linux User Group.
Übrigens: Für Kurzentschlossene gibt es am 30.8. eine "Linux-Demo-Party": Beim CCC, Hohenstaufenstr. 8, 60327 Frankfurt, 11-17 Uhr.Option 4: Dem Computer ein zweites Leben geben
Unter Umständen lässt sich Ihr Computer doch noch länger nutzen, auch wenn Sie keine Sicherheitsupdates mehr erhalten. Die Lösung heißt: "Offline-Nutzung". Schreiben, Fotos verwalten, Musik abspielen, Bastelideen oder Kochrezepte notieren oder ggf. DVDs anschauen – all das können Sie weiterhin tun. Sie sollten ihn dafür nur vom Internet nehmen. Auch als Backup-Computer, also zur Aufbewahrung von Daten, lässt er sich weiterhin nutzen.
Nachhaltigkeit im Fokus: Kaufen und Entsorgen mit Bedacht
Unsere Optionen zeigen, dass das Ende von Windows 10 noch nicht das Ende Ihres Computers bedeuten muss. Auf- oder Umrüsten sind gute Wege, um das Leben Ihres Rechners oder Laptops zu verlängern. Sollten Sie sich dennoch zu einem Neukauf entschließen, kann ein gebrauchtes Gerät (refurbished) eine gute und nachhaltige Option sein. Nehmen Sie jedoch die Anbieter ganz besonders unter die Lupe. Die Vielzahl ausgemusterter Computer, die jetzt verfügbar werden, macht Betrüger*innen kreativ – kaufen Sie am besten Geräte im seriösen Handel und mit Gewährleistung. Wenn Sie für Ihr Altgerät keine Verwendung mehr haben, entsorgen Sie es richtig. Der Handel oder die Sammelstellen Ihres örtlichen Entsorgers nehmen Ihr Gerät gern entgegen. (Alles Wissenswerte zum Elektroschrott entsorgen in Frankfurt lesen Sie in unserem Artikel).
Sind Verbraucher*innen machtlos?
An den Entscheidungen großer Konzerne können Verbraucher*innen zunächst nichts ändern. Schließlich verfügen nicht alle über die Nerven und Mittel wie der US-Amerikaner Lawrence Klein, der jetzt wegen des Support-Stops von Windows 10 eine Klage gegen Microsoft eingereicht hat. Auch Unternehmen, die deren Produkte nutzen, sind oft von Betriebssystemen abhängig. Dennoch ist es wichtig, die Obsoleszenz durch Software als Nachhaltigkeitsproblem in das Bewusstsein zu nehmen und die eigenen Möglichkeiten zu nutzen. Denn tatsächlich können Verbraucher*innen einiges tun:
1. Mit dem Geldbeutel abstimmen
- Nachhaltige Produkte kaufen, die nachweislich lange Updates bekommen
- Offene Systeme Nutzen z. B. Linux bei Computern
- Refurbished kaufen (löst nicht das Support-Problem, aber die Hersteller werden nicht mit dem Kauf eines Neugeräts für ihre Maßnahme "belohnt")
2. Transparenz einfordern
- Vor dem Kauf fragen: "Wie lange gibt es Updates für dieses Gerät?" – wenn Verkäufer*innen diese Frage öfter hören, landet sie irgendwann auch bei den Herstellern.
- Bewertungen nutzen: In Online-Shops oder Foren gezielt darauf hinweisen, wenn Geräte schnell obsolet werden. Das beeinflusst andere Käufer*innen.
3. Politischen Druck aufbauen
- Petitionen & Kampagnen unterstützen: Viele Verbraucherorganisationen (z. B. Verbraucherzentrale, PIRG in den USA, der Runde Tisch Reparatur) setzen sich für längere Update-Pflichten ein.
- EU-Diskussionen begleiten: Kommentare abgeben, wenn sich die EU mit dem "Recht auf Reparatur" oder Software-Updatepflichten beschäftigt.
- NGOs unterstützen: Mitglied werden, spenden oder Aktionen teilen.
4. Reparieren & weiterverwenden statt wegwerfen
- Reparaturdienste nutzen: Ein Gerät reparieren bzw. aufrüsten lassen statt sofort neu kaufen, z. B. über den Reparaturfinder
- Communitys finden: Repair Cafés oder Linux-Partys besuchen (siehe oben), um vermeintlich alte Hardware wieder fit zu machen.
- Geräte weiterverwenden: Alten Rechner offline weiternutzen (z. B. als Medienserver).
In jedem Fall gilt: Nachhaltigkeit beginnt mit unseren alltäglichen Entscheidungen. Machen Sie Ihre Stimme als Verbraucher*in hörbar – für langlebige Produkte und gegen Wegwerfmentalität.
Update 26.09.2025:
Als Zugeständnis an Verbraucherschützer*innen in der EU räumt Microsoft Privatnutzer*innen im europäischen Wirtschaftsraum eine einjährige, kostenfreie Verlängerung der Versorgung mit Sicherheitsupdates für Windows 10 ein. Voraussetzung: Sie haben ein Microsoft-Konto, in dem sie sich alle 60 Tage einloggen müssen, um Updates zu erhalten. Es gibt also auf diesem Weg eine kleine Schonfrist bis zum 14. Oktober 2026. Für Unternehmen ist der Sicherheitssupport über das ESU-Programm allerdings weiterhin kostenpflichtig.
Update 15.11.2025:
Im Rahmen der Europäischen Woche für Abfallvermeidung findet am 30.11.2025 in Frankfurt Bockenheim ein Repair Café statt. Dort werden alle Interessierten dabei unterstützt, das Linux-Betriebssystem auf ihren Computer zu installieren. Auf der Seite "Frankfurt kann abfallfrei" erfahren Sie mehr!












