Papierabfall wird noch von Menschen sortiert, KI verbessert die Recyclingquote.

Best Practise

Besseres Recycling und sauberere Städte dank künstlicher Intelligenz?

KI-Anwendungen erreichen jeden Lebens- und Geschäftsbereich. Auch in der Entsorgungswirtschaft werden diverse Anwendungsgebiete erprobt – von der Optimierung von Stoffkreisläufen bis zur Erkennung und Dokumentation von Abfall im öffentlichen Raum. In diesem Artikel sehen wir uns an, wie KI in der Abfallsortierung und in der Qualitätssicherung der FES zum Einsatz kommt.

Hätten Sie es für möglich gehalten, dass uns bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Technologie zur Verfügung stehen würde, die uns in allen Bereich überlegen ist, Aufgaben auf den ersten Blick besser, schneller und zuverlässiger erledigt als wir?

Nun, ganz so drastisch ist die Revolution der Maschinen noch nicht, wenn Sie diesen Fingerzeig in die Science-Fiction-Welt erlauben. Der Hype um Anwendungen künstlicher Intelligenz allerdings ist real und gerechtfertigt. Denn die Technologie besitzt durchaus die Qualität, eine neue, fünfte industrielle Revolution einzuleiten – wenn sie das nicht längst getan hat.

Noch sind wir Menschen im Rennen, bleibt doch zunächst der entscheidende Faktor, wie die KI von uns programmiert und trainiert wird. Denn grundsätzlich handelt es sich bei dieser Technologie allen Ängsten zum Trotz auch nur um ein regelbasiertes System, das klar definierte Aufgaben ausführt.

Dazu werden mathematische Methoden (Algorithmen) entwickelt und programmiert, die speziell für eine Anforderung optimiert werden. So beispielsweise die Bilderkennung, um die es in diesem Artikel im weitesten Sinne gehen wird.

Machen wir uns als Menschheit also erst einmal ans Aufräumen und entwickeln Anwendungen für sauberere Städte und eine effiziente und effektive Kreislaufwirtschaft, bevor wir uns ganz von „den Maschinen“ ablösen lassen – schließlich sollten wir die Welt möglichst so „übergeben“, wie wir sie gerne vorfinden würden.

Mit künstlicher Intelligenz Abfallströme optimieren: Bremer Start-up „WasteAnt“

Jedes Jahr produzieren Deutsche im Durchschnitt 475 Kilogramm an Haushaltsabfällen. Je nachdem, um welchen Abfall es sich handelt, wird dieser verbrannt oder recycelt und so dem Wertstoffkreislauf zugeführt. Hinzu kommt neben dem Hausmüll noch eine große Menge an Industrieabfällen.

Bei der Müllsortierung können „falsche“ Materialien, also Materialien, auf die die jeweilige Recyclinganlage nicht eingestellt ist, im schlimmsten Fall Beschädigungen verursachen (siehe auch das Beispiel "Plastik im Bioabfall"). Bisher werden die Abfalllieferungen auch deshalb stichprobenhaft kontrolliert, doch reicht das eben nicht mehr aus – die wachsenden Müllmengen stellen die Abfallwirtschaft vor große Herausforderungen.

Daher setzt das Bremer Start-Up „WasteAnt“ auf die Unterstützung künstlicher Intelligenz im Sortierungsprozess. Der Abfallstrom soll in den Sortieranlagen mittels Sensorik erfasst und durch eine KI ausgewertet werden. Die kontinuierliche Prüfung der Stoffströme gibt dabei Auskunft über die Qualität der Abfalllieferung.

Denn ein, wenn nicht der eine Vorteil künstlicher gegenüber menschlicher Intelligenz liegt ganz einfach darin, aus sämtlichen gesammelten Daten zu lernen, über alle Datenpunkte hinweg Schlüsse zu ziehen und so auch fundierte Vorhersagen zu treffen. Durch den Zugriff auf einen immer größer werdenden Datenpool und die Fähigkeit zur Verknüpfung verschiedener Datenpunkte unterstützt die KI das Unternehmen so bei der Planung und Optimierung von Betriebsabläufen.

So ist das Ziel des Start-ups, dass der in der Müllverarbeitungsanlage ankommende „falsche“ Abfall bereits bei oder sogar vor der Anlieferung erkannt und entsprechend in andere Anlagen umgeleitet werden kann.

Unternehmen erreichen dadurch eine bessere Auslastung: Je weniger Fehlstoffe sich im Abfall befinden, desto geringer ist das Risiko von Störungen, die zu hohen Wartungskosten und einer wiederum geringeren Auslastung führen.

Mit künstlicher Intelligenz den Recyclinganteil erhöhen: Forschungsprojekt „KI-Waste“

Auch das Forschungsprojekt „KI-Waste“ der Technischen Universität Graz setzt auf den Einsatz von KI im Sortierungsprozess. Ziel ist jedoch nicht primär die Auslastung der Anlagen, sondern die Erhöhung der Recyclingquote. Das in der Entwicklung befindliche System soll den Recyclinganteil in der Abfallverwertung um mindestens 10 % erhöhen. Auch hier werden gewohnte Methoden von KI, nämlich Bilderkennung und Maschinendatenanalyse, kombiniert, um die Abfallaufbereitung zu optimieren.

Der Ausgangspunkt des Vorhabens sind die bereits genannten Sortierprobleme, wie sie in gewöhnlichen Anlagen weltweit auftreten. Die ankommenden Abfälle bestehen aus Kunst- und Verbundstoffen sowie aus organischen Anteilen wie Papier und Kartonagen. Die unterschiedliche Zusammensetzung jedoch, die sich saisonal und regional stark unterscheidet, stellt das Recycling vor große Herausforderungen.

Die bestehenden Anlagen haben aus Sicht der Technischen Universität Graz ein großes Manko: Es fehlt bislang die geeignete Technologie, um die Qualität bei den Zwischenschritten in einer Sortieranlage zu gewährleisten. So wird beispielsweise der Anteil an Kunststoff bereits gut getrennt, doch Abfallbestandteile wie Kartonagen werden nur unzureichend abgeschieden.

Ebenso wie WasteAnt kombiniert KI-Waste mittels Sensorik erfasste Bilddaten mit schon jetzt zur Verfügung stehenden Anlagendaten, um die Art und Zusammenfassung des Abfalls im laufenden Prozess zu überwachen.

Von Klasse(n) und Geometrie ... Wie funktioniert KI-Waste?

In der Sortieranlage wird der Materialstrom in einzelne Objekte unterteilt. Um die Objekte richtig zuzuordnen, nutzt das System sowohl Informationen einer Klassenzugehörigkeit, zum Beispiel „Wertstoffe“, als auch Informationen über die Geometrie der Objekte.

Doch haben Objekte gleicher Klasse, wie beispielsweise Holz-Pellets und Äste, unterschiedliche Geometrien. Objekte unterschiedlicher Klassen, wie beispielsweise PET-Flaschen und Glasflaschen, haben jedoch dieselbe Geometrie.

Zur Klassifizierung kommt nun eine 3D-Sensorik zum Einsatz, also spezielle Kameras, um die räumlichen Eigenschaften der Objekte zu erfassen. 2D-Sensoren, ebenfalls spezielle Kameras, beschreiben zusätzlich die Farbinformationen mit einer sehr hohen Auflösung. Diese Daten werden der KI zugeführt und die Materialverteilung kann auf einer gewissen Fläche festgelegt werden. Die Recyclingmaschine wird entsprechend in Echtzeit angepasst.

Das Ergebnis des Forschungsprojektes wird eine Handlungsempfehlung sein, wie KI in der Prozessoptimierung in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden kann. Dabei profitiert das Entsorgungsunternehmen durch eine höhere Recyclingrate und einen verringerten Energieverbrauch – was in der Folge auch positive Auswirkungen auf die Umwelt haben sollte.

Mit künstlicher Intelligenz die Stadt sauber halten – Frankfurt macht es vor

Auch die Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) befasst sich derzeit in einem Pilotprojekt mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz zur Qualitätssicherung, respektive der Stadtsauberkeit.

Aufbauend auf einem KI-basierten Kamerasystem des Schweizer Unternehmens „Cortexia“ testet FES die Erfassung von Abfällen auf Straße und Gehsteig. Bisher wurde diese Aufgabe von Menschen erledigt, die die Arbeit der Stadtreinigung mittels eines Kriterienkataloges bewerten.

Künftig könnten an Fahrzeugen der Stadtreinigung angebrachte Kamerasysteme automatisiert Abfälle erfassen und beispielsweise die Optimierung der Routenplanung oder das Anbringen zusätzlicher Abfallbehälter vorschlagen.

Der Vorteil der KI-Anwendung, sollte sie die Lernphase erfolgreich abschließen, ist insbesondere die Geschwindigkeit, mit der die erfassten Informationen zur Verfügung stehen. Während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Kriterienkatalog für die Stadtsauberkeit händisch befüllen, stehen die durch die KI erfassten Daten quasi in Echtzeit zur Verfügung, erlauben eine schnelle Anpassung von Abläufen und führen zu fundierteren Entscheidungen der Verantwortlichen. Perspektivisch können die Systeme auch für andere Arbeitsbereiche der Qualitätssicherung genutzt werden, beispielsweise um defekte Straßenschilder zu erkennen.

Auch wenn die KI derzeit noch eine geringe Erkennungsrate im Vergleich zu Mitarbeiter*innen der FES bietet: Erste Erfahrungen führen zu einem positiven Resümee und die Laufzeit des Pilotprojektes wird im August dieses Jahres um ein weiteres Jahr verlängert.

Menschliche versus künstliche Intelligenz: Zusammenarbeiten und Erfahrungen teilen

Tatsächlich halten viele der KI-Anwendungen große Potenziale bereit, Prozesse nicht nur im Hinblick auf die Wertschöpfung, sondern auch auf die Energie- und Ressourceneffizienz hin zu optimieren.

Während in der KI-Fachwelt noch die Rahmenbedingungen einer dem Menschen dienenden künstlichen Intelligenz diskutiert werden, machen sich Unternehmen, bislang noch weitestgehend unreglementiert, auf den Weg in ein neues datengetriebenes Zeitalter.

Auch Entsorgungsbetriebe weiterer Städte experimentieren derzeit mit KI-Anwendungen. Am Ende sollen Mensch und Umwelt gleichermaßen von den neuen Möglichkeiten profitieren – das funktioniert aber nur, wenn künstliche und menschliche Intelligenz sich optimal ergänzen.

Neues Zeitalter – neue Chance!

„Die Evolution des menschlichen Geistes verkörpert sich in der Evolution der Technik.“
Nora Arikha
Die Autor*in
Lukas Glöckner
Lukas Glöckner
Lukas ist Mediengestalter und Kommunikationsmanager B.A. Er kommt aus dem Bereich "CSR" eines Familienunternehmens und arbeitet nun bei "Lust auf besser leben". Er ist im Herzen ein stets kreativer und besonnener Hands-on-Teamplayer - und schreibt für sein Leben gern. Am liebsten über neue Innovationsthemen, die er sich selbst "drauffschaffen" muss.