Die Geschichte von Zinn: Ein Rohstoff schafft neue Berufe
Zinn findet bereits seit etwa 5.000 Jahren v. Chr. Verwendung. Aus Zinn und Kupfer wird Bronze hergestellt, so gewann das Metall in der Bronzezeit an großer Bedeutung. Zunächst wurde das Material nur für Schmuck und Kunstgegenstände verwendet, doch in alten Hochkulturen wie z. B. in China wurden auch Schwerter, Äxte oder Ackerbaugeräte aus Bronze gefertigt. Später setzten Griechen und Römer Zinn auf vielfältige Weise ein – von Verzierungen an Rüstungen über Essgeschirr, das Verzinnen von Kupfermünzen bis hin zum Verlöten von Bleiwasserrohren mit Zinnlegierungen reicht die Bandbreite.
Damals wurde Zinn für eine Sonderform von Blei gehalten, was ihm den Namen „Plumbum album“(weißes Blei) gab. Das Wort Zinn geht vermutlich auf den altgermanischen Begriff „zein“ zurück, was „Stab“ bedeutet. Ab 1100 wurde Ton- und Holzgeschirr in Europa zunehmend durch Teller, Schalen oder Becher aus Zinn ersetzt. Im Mittelalter entstanden eigene Berufe rund um das Metall – während der Zinngießer für die Herstellung und ästhetische Ausgestaltung von Gegenständen aus Zinn zuständig war, machte sich der Zinnputzer an ihre Reinigung. Er verwendete dazu einen Auszug aus Ackerschachtelhalm, der deshalb bis heute auch als Zinnkraut bekannt ist.
Vorkommen und Gewinnung: Zinn-Abbau in Deutschland?
Die größte Fördernation ist – wie so oft bei metallischen Rohstoffen – die Volksrepublik China, gefolgt von Indonesien, Myanmar, Brasilien und Bolivien. Kuriosum am Rande: Das weltweit größte, noch unerschlossene Zinnvorkommen befindet sich im deutschen Erzgebirge. 2026 soll dort mit dem Abbau begonnen werden, ein Projekt, das seit Jahren immer wieder verschoben wurde. Zinn findet man nur selten in seiner reinen Form, häufiger sind Zinnerze wie zum Beispiel Kassiterit, auch Zinnstein oder Bergzinn genannt. Durch Erhitzen und eine anschließende Reduktion mit Kohlenstoff lässt sich das reine Zinn gewinnen. Die Rückgewinnung aus zinnhaltigen Abfällen (Zinn-Recycling) ist außerdem inzwischen eine erfreulich häufige Art, Zinn herzustellen. Dennoch warnen Fachleute seit Jahren vor einem drohenden Zinn-Engpass, höhere Preise und Lieferprobleme seien demnach bereits in absehbarer Zeit vorprogrammiert.
Eigenschaften: unedel, aber beständig
Zinn zählt zu den unedlen Metallen, obwohl es bei Zimmertemperatur nicht mit Wasser oder Luft reagiert. Seine Oxidschicht macht es beständig. Auch Säuren müssen konzentriert sein, damit sich das Zinn unter ihrem Einfluss verändert. Es ist ein sehr weiches und dehnbares Metall, etwas härter als Blei. Durch seine Eigenschaften lässt es sich gut zu Folien oder dünnen Blechen verarbeiten.
Bedeutung: kaum ein Elektrogerät ohne Zinn
Auch wenn heute kein Kind mehr mit Zinnsoldaten spielt – Zinn gehört ähnlich wie Gold zu den Metallen, die sowohl traditionell als auch in modernen Technologien eine Rolle spielen. So sind etwa Orgelpfeifen ohne Zinn kaum denkbar, auch Modeschmuck enthält früher wie heute häufig das silbrige Metall. Zinnfolie (Stanniol) findet heute weniger als Stanniolpapier oder Lametta Verwendung als z. B. in der Zahnmedizin. Amalgam, die bekannte Zahnfüllung, enthält eine Zinnverbindung, ebenso der Kunststoff PVC. 30 % des verarbeiteten Zinns wird für Weißblech, also verzinntes Eisenblech eingesetzt – ohne Zinn keine Dose.
Als Lötzinn hat das Metall große Bedeutung bei der Verbindung elektronischer Bauteile (z. B. Platinen). Man kann sagen, dass kaum ein Elektrogerät ohne Zinn denkbar ist. Es wird außerdem für Halbleiterverbindungen benötigt und damit auch für viele Zukunftstechnologien wie Elektrofahrzeuge, Solarmodule, Windkraft und KI. Auch die chemische Industrie ist auf Zinn angewiesen – Zinnverbindungen werden als Zusatzstoffe in Chemikalien wie z. B. Farben oder Desinfektionsmitteln gebraucht. Als Oberflächenveredlung und Korrosionsschutz kommt Zinn unter anderem in der Automobilindustrie zum Einsatz.
Problematik: Vorsicht vor organischen Verbindungen
Da Zinn auch im Kongo abgebaut wird, wurde es von den USA (ähnlich wie Coltan) als „Konfliktmineral“ eingestuft, das bedeutet, dass hier die Einnahmen der Gewinnung für bewaffnete Konflikte eingesetzt werden. Die Herkunft von Zinn muss also immer gut hinterfragt werden. Zinn ist grundsätzlich kaum giftig. Organische Zinnverbindungen allerdings haben eine toxische Wirkung auf Mensch und Umwelt. Sie sind sehr schwer biologisch abbaubar und verbleiben lange in der Natur. In Gewässern können solche Zinnverbindungen Phytoplankton, Fische, Algen und Pilze und damit ganze Ökosysteme schädigen. Einen zweifelhaften Namen machte sich in diesem Zusammenhang das sogenannte TBT, eine Zinnverbindung, die jahrelang in Schiffsanstrichen als Korrosionsschutz eingesetzt wurde. Sie verseuchte die Meere und gelangte in die Nahrungskette. Auch in Holzschutzmitteln, Teppichen und Bekleidung wurde TBT gefunden. Seit 2003 sind TBT-haltige Schiffsanstriche in den Mitgliedsländern der Internationalen Schifffahrts-Organisation (IMO) verboten. Die EU erließ darüber hinaus einen Grenzwert für Produkte, viele zinnorganische Produkte sind seit 2010 bzw. 2012 nicht mehr erlaubt.
Recycling: Ja, aber …
Die gute Nachricht: Die Recyclingquote von Weißblechdosen ist sehr hoch. Die schlechte: Reines Zinn kann nur dann aus den Dosen zurückgewonnen werden, wenn das Weißblech frei von Aluminium ist, was nicht immer garantiert werden kann. Da das Recycling von Zinn grundsätzlich ohne Qualitätsverlust gut möglich ist, wird bislang schätzungsweise ein Drittel des verwendeten Zinns aus Recycling gewonnen – was als gute Quote gilt. Angesichts der weltweit knappen Reserven kommt der Wiederverwendung allerdings auch eine besondere Bedeutung zu.
Fazit:
Zinn ist ein für viele Zukunftstechnologien sehr wichtiges Metall mit einer besonderen Geschichte. Doch seine Reserven gehen Schätzungen zufolge in den nächsten zwei Jahrzehnten zur Neige. Recycling von Zinn – zum Beispiel aus Elektroschrott – wird deshalb immer wichtiger. Wie immer gilt also auch hier: Achtsamer Kauf von Geräten, Reparatur und Recycling sind die beste Antwort auf die Begrenztheit von kostbaren Rohstoffen.













