Wir berichteten bereits über die Novelle des Verpackungsgesetzes und ihre Auswirkungen auf To-go-Verpackungen und die Gastronomie. Neben einer Mehrwegpflicht ab 2023 und einer Erweiterung der pfandpflichtigen Getränke gilt nun ein Plastiktütenverbot.
Das Gesetz basiert auf einer Richtlinie der Europäischen Union aus 2015, die vorsah, den Plastiktütenverbrauch in den folgenden zehn Jahren auf ein Fünftel des europäischen Durchschnitts zu senken. Damals lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Plastiktüten bei 200 Stück im Jahr. Er sollte auf 90 bis 2019 und auf 40 Tüten bis 2025 reduziert werden. Die EU-Richtlinie bezog sich auf „leichte“ Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke unter 50 micron, die von den „sehr leichten“ Tragetaschen unter 15 micron zu unterscheiden sind – ein wichtiges Merkmal, wie sich aktuell zeigt. Dazu gleich mehr.
Deutschland stand bereits damals mit etwa 71 Tüten pro Einwohner*in im Jahr vergleichsweise gut da. Wobei in Irland beispielsweise schon 2010 eine verpflichtende Abgabe in Höhe von 44 Cent auf Plastiktüten eingeführt wurde. Dadurch konnte der Pro-Kopf-Verbrauch von 328 auf 18 Tüten gesenkt werden.
2016 folgte dann deutschlandweit eine Vereinbarung mit dem Handel, der – basierend auf einer Selbstverpflichtung – Kunststofftüten seitdem nur noch kostenpflichtig herausgibt. Der Ansatz zeigte Wirkung: „Pro Kopf verbrauchen die Deutschen noch etwa 18 Tüten pro Jahr – insgesamt rund 1,49 Milliarden Tüten“, so das Bundesumweltministerium (BMU).
Inhalt angelehnt an eine Grafik der Bundesregierung / Quelle: GVM
Das Plastiktütenverbot und seine Fallstricke
Seit Anfang 2022 sind auch leichte Kunststofftragetaschen verboten. Verstöße werden mit hohen Bußgeldern geahndet. Doch auch hier wird (wie bereits in der EU-Richtlinie) eine Ausnahme für besonders leichte Plastiktüten mit einer Wandstärke von weniger als 15 Mikrometern gestattet.
Die sogenannten „Hemdchenbeutel“ werden vor allem für den Transport von zuvor unverpacktem Obst und Gemüse verwendet. Die Ausnahmen werden mit Hygieneanforderungen gerechtfertigt und sollen der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenwirken.
Ein verbreitetes Argument ist zudem, dass ein generelles Plastiktütenverbot zu vermehrten Produktverpackungen führen würde. Inwiefern diese Argumente valide sind, wird von Umweltschützer*innen, Nachhaltigkeitsbeauftragten und der „Zero Waste“-Bewegung angezweifelt, gibt es doch bereits ausreichend Alternativen wie Gemüsenetze oder biologische Verpackungen, die aus dem Handel selbst angestoßen werden.
Einwegtaschen und die Folgen fürs Klima
Blicken wir aus Umwelt- und Klimaperspektive auf das Thema, müssen wir festhalten: Auch die nun vermehrt angebotenen Taschen aus Papier oder Baumwolle haben relevante Auswirkungen auf das Klima. So verursacht eine Papiertüte ca. 60 g CO2, eine Plastiktüte aus Neugranulat 120 g CO2 und eine Baumwolltasche ca. 1.700 g CO2. Da Papiertüten meist nur einmal genutzt werden und sich Stofftaschen vielfach zuhause im Schrank stapeln, sind Einwegtaschen insgesamt keine gute Lösung, außer theoretisch Plastiktüten aus recyceltem Kunststoff. Wobei auch hier aus Umweltperspektive schädliche Mikroplastik-Abriebe festzustellen sind.
Bag Sharing als Lösung – Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmodell
Um dem Dilemma der Wegwerftüten eine Lösung entgegenzusetzen, gibt es in Frankfurt am Main ein innovatives Sharing-Konzept. Die Idee ist simpel: Erst wenn Taschen mehrfach wiederverwendet und im Kreislauf gehalten werden, sind sie klimafreundlich. Laut GEO müssen Stofftaschen mindestens 131 Mal benutzt werden, damit ihre Klimabilanz besser ist als die von Einweg-Plastiktüten.
Deshalb können Bürger*innen die sogenannten „Bag Sharing“-Stationen oder auch „Taschen-Tausch-Stationen“ nutzen. Sie funktionieren wie ein Bücherschrank. Jede*r kann eine gebrauchte, saubere Tasche hineinstecken – oder beim Einkauf ohne Tasche spontan und kostenfrei eine der Taschen mitnehmen und wiederverwenden. Da die Stationen im öffentlichen Raum vor Läden oder Bibliotheken stehen, sind sie auch ohne Eintritt in einen bestimmten Laden nutzbar.
Das Konzept wurde 2016 erstmals in einem Frankfurter Stadtteil getestet und seither konstant weiterentwickelt und verbreitet. Erfolgsrezept ist zum einen die Betreuung durch ehrenamtliche Pat*innen, also beispielsweise Ladeninhaber*innen und Engagierte aus dem Stadtteil, die für die Sauberkeit der Stationen sorgen und mit Kund*innen darüber ins Gespräch gehen.
Zudem müssen bisher unbekannte Verhaltensmuster, wie das Tauschen und Teilen von Taschen (oder Bohrmaschinen usw.), immer wieder kommuniziert und trainiert werden, bis sie intuitiv geschehen.
Dabei hilft die Zusammenarbeit mit Gewerbevereinen und Partner*innen wie dem Entsorgungsunternehmen FES Frankfurt, die mit ihrer Expertise und Netzwerken neue Ideen so verbreiten können, dass sie als Zukunftsmodell für wirkliche Veränderung sorgen.
Quellen: