Wegwerfen war gestern: Tanja und Alexander Huck

Nachhaltigkeit

Wie sich eine Bäckerei gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt

Jedes Jahr landen in Deutschland etwa 12 Millionen Lebensmittel im Müll, darunter auch zahlreiche Backwaren. Für Bäckerin Tanja Huck und ihren Mann Andreas ist das keine Option. Mit kreativen Projekten kämpfen sie aktiv gegen die Lebensmittelverschwendung. Im Interview spricht Tanja Huck mit uns über ihre Ideen, ihr ungewöhnliches Kochbuch und die Erwartungen der Kund*innen.

Tanja und Andreas Huck leiten gemeinsam in dritter Generation eine Bäckerei. Nachhaltigkeit und Abfallreduzierung waren ihnen schon immer wichtig. Dazu gehört, dass sie nach Möglichkeit keine Lebensmittel wegwerfen möchten, sondern dafür sorgen, dass auch übrig gebliebene Backwaren noch Verwendung finden. Das Problem: In der Bäckerei wird bis zur Ladenschließung die volle Auswahl erwartet. Dadurch bleibt am Ende des Tages immer wieder etwas übrig. Die Lösung der Hucks: Eine eigene, ganz besondere Bäckereifiliale. In der Bäckerei „Yesternday“ in Frankfurt-Bockenheim kann Backware vom Vortag vergünstigt erworben werden. Mit doppeltem Nutzen: Lebensmittel werden nicht unnötig weggeworfen und der Erlös wird an soziale Projekte gespendet.

Ein weiteres Projekt zum Thema Nachhaltigkeit ist Tanja Hucks Kochbuch „Unser vortägliches Brot“. Darin finden sich Rezepte, die aus trockenem, „alten“ Brot zubereitet werden können. Somit wird es noch sinnvoll verwendet und muss nicht weggeworfen werden. Alle Rezepte für die süßen oder herzhaften Leckereien lassen sich kreativ und individuell erweitern. Wir haben Tanja Huck gefragt, was sie antreibt und wie es mit ihren Nachhaltigkeitsprojekten weitergeht. Dabei war deutlich zu spüren, dass ihr das Thema Nachhaltigkeit eine echte Herzensangelegenheit ist.

Wie fing das an, dass Sie sich für Nachhaltigkeit und gegen Lebensmittelverschwendung eingesetzt haben? Was war der Auslöser dafür?

Ich finde es schrecklich, Lebensmittel wegzuschmeißen. Ich kenne das so selbst nicht und meine Kinder auch nicht, bei uns wird nichts einfach weggeworfen. Außerdem ist unsere Ware immer Handarbeit und ich finde es furchtbar, wenn die Mitarbeiter*innen sehen müssen, dass ihre Arbeit weggeschmissen wird. Die Filialen sollen zwar immer gut gefüllt sein, aber auch die Reste sollten verwertet werden.

Sie haben dann in Frankfurt-Bockenheim „Yesternday“ eröffnet. Dort verkaufen Sie die Ware vom Vortag weiter. Wie kamen Sie darauf?

Die Idee stammt vom Ladenbauexperten Christian Hunold, der sich sehr für nachhaltige Vertriebskonzepte einsetzt. Eine vergleichbare Filiale gibt es bereits in Erfurt und jetzt eben auch bei uns in Frankfurt. Die Idee ist es, diese Filialen in ganz Deutschland zu verbreiten. Durch Yesternday werden Lebensmittel gerettet, Arbeitsplätze geschaffen und durch den Erlös werden zusätzlich soziale Projekte unterstützt.

Ein weiterer persönlicher Schritt von Ihnen, um unserer Wegwerfgesellschaft entgegenzuwirken, ist Ihr Kochbuch „Unser vortägliches Brot“. Wie entstand dieses Projekt?

Es ist ein Buch mit Rezepten, um trockenes Brot noch zu verwenden. Ich koche gerne ohne genaues Rezept und bin kreativ in der Küche. Kund*innen und Freund*innen haben schon lange gesagt, ich solle aus all meinen Ideen endlich ein Kochbuch machen. Durch Corona hatte ich dann die Zeit, dieses Buch zu schreiben. Dadurch sollen mehr Lebensmittel verwertet und Anreize geschaffen werden. Die Rezepte sind variabel, es können verschiedene Produkte verwendet werden und man kann selbst kreativ sein. Auch für Kinder ist es zum Mitmachen geeignet. Außerdem bietet das Buch Aufklärung über das Brot und seine Geschichte.

Sie führen die Bäckerei in dritter Generation. Wie wurden die Reste des Tages eigentlich früher verwertet?

In Gründerzeiten der Bäckerei Huck gab es keine Reste. Nach dem Krieg war diese Vielfalt noch gar nicht üblich und es gab nur Brot, keine Brötchen. Mit der Zeit stiegen die Erwartungen und es wurden auch Brötchen verkauft. Die wenigen Reste wurden dann an Bauern gegeben oder zu Paniermehl verarbeitet. Der Opa meines Mannes fuhr früher mit der Kutsche durch die Stadt und verteilte das, was übrig geblieben ist. Jetzt sind die Ansprüche der Kund*innen viel größer und es wird auch abends noch eine volle Auswahl an frischer Backware erwartet. Dadurch entsteht ein großer Druck für die Bäckereien.

Was bringt die Zukunft für Ihre Bäckerei? Stehen weitere Projekte an?

Im Mai 2021 wurde eine neue Huck-Filiale in Höchst eröffnet und es wird eine weitere am Hauptfriedhof in Frankfurt folgen. Wenn es ausreichend Ware zum Verkauf gibt, können wir uns für die Zukunft auch noch weitere Yesternday-Filialen vorstellen.

Frau Huck, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.

Altes Brot neu gedacht
„Frische Backware in einer Bäckerei wird bis zum Ladenschluss vorausgesetzt. Doch was passiert mit der übrig gebliebenen Ware? Wegwerfen? Für Tanja Huck keine Option.“
Die Autor*in
Laura Dinges
Laura Dinges
Laura studiert Germanistik an der Goethe Universität in Frankfurt und arbeitet nebenbei bei der FES. Dort war sie bereits an dem Projekt des Reparaturführers beteiligt und schreibt nun auch Artikel für den Recyclist.