Werden PET-Plastikflaschen bald von Bakterien gefressen?

Plastik

Gentechnik: die Lösung unseres Plastikproblems?

Mittels eines neuen Verfahrens wird PET von Enzymen verstoffwechselt. Was es mit dem Verfahren auf sich hat, ob es die Lösung für unser globales Problem mit dem Plastikmüll ist und welche weiteren Fragen sich ergeben – ein kurzer Ausflug in die Welt des Metabolic Engineering.

Das mechanische Recyceln von Wertstoffen reicht bereits bis in die Antike zurück. Das Verfahren war effektiv, effizient und darüber hinaus auch denkbar einfach: Glas, Bronze und Kupfer, Materialien von großem Wert, wurden eingeschmolzen, erhielten eine neue Form und fanden so ihren Weg zurück in den Wirtschaftskreislauf.

Die Motivation hinter dem antiken mechanischen Recycling allerdings war eine gänzlich andere als jene, mit der sich dieser Artikel beschäftigt. Die Materialien waren selten und wertvoll, konnten nicht bedarfsdeckend abgebaut oder produziert werden. Seltenheit und Wert jedoch sind Kategorien, in die der Wertstoff Plastik kaum einzuordnen ist.

Allein in Deutschland wurden im Jahr 2017 über 14 Millionen Tonnen Plastik produziert und von den angefallenen 5,2 Millionen Tonnen Plastikmüll nur 810.000 Tonnen wiederverwertet, eine nüchterne Recyclingquote von 15,6 Prozent.

Dass der verbleibende Müllberg zu großen Teilen nach Südostasien oder in die Türkei exportiert wird, darüber berichtet unter anderem Greenpeace ausführlich im Artikel „Illegale Ausfuhr statt Wiederaufbereitung“.

Eine interessante Entdeckung

Doch die Recyclingquote für PET und auch weitere Plastikarten könnte in den nächsten Jahren stark ansteigen. Wissenschaftler:innen haben im Jahr 2016 in einer Recyclinganlage einen interessanten Fund gemacht: Das von einer Forschungsgruppe der Technischen Universität Kyoto entdeckte Bakterium Ideonella sakaiensis ernährt sich von PET!

Das Verdauen geschieht dabei ähnlich wie in unseren Körpern durch Enzyme. Im ersten Schritt wird das PET durch das Enzym PETase und Wasser in eine Säure „aufgebrochen“, im zweiten Schritt wird dieses Produkt dann durch das Enzym MHETase in Ethylenglykol und Terephthalsäure umgewandelt. Ideonella nutzt diese beiden Stoffe zur Energiegewinnung – und übrig bleiben nur Wasser und Kohlendioxid. Der kleine prozentuale Anteil, der nicht verdaut wird, kann als hochwertiges PET wieder granuliert und dem Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden.

Was sich bereits wie die Lösung für eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit anhört (siehe im ReCYClist „Plastik sparen schützt die Umwelt – eine Initiative macht es vor“ – Abschnitt: „Plastik im Meer“), war 2016 erstmal nur eine interessante Entdeckung.

Die Urform des Bakteriums benötigt für den beschriebenen Prozess und einen sehr feinen Plastikfilm, welcher kaum dem festen Kunststoff einer PET-Flasche entspricht, unter Laborbedingungen nämlich um die 60 Wochen für die Verstoffwechselung.

In dieser Geschwindigkeit wäre unser Problem mit dem Plastik also erst gelöst, wenn wir Menschen längst ausgestorben sind. Doch das Forschungsfeld des sogenannten „Metabolic Engineering“ macht Hoffnung auf eine Beschleunigung des Prozesses.

Ein Einblick in die Forschung

Zur Verdeutlichung ein kurzer Einblick in die Forschung: Der im Labor zu Testzwecken eingesetzte Kunststoff weist eine Kristallinität von 14,8 % auf. Die in Ideonella sakaiensis ursprünglich vorkommende PETase konnte diese Kristallinität um 1,5 % verringern. Eine zufällige Mutation des Enzyms dagegen schaffte bereits eine Verringerung um 5,6 %.

Das bedeutet nichts anderes, als dass eine gezielte genetische Veränderung der Enzyme die Geschwindigkeit und Effektivität des Recyclingprozesses deutlich erhöhen kann. Erste Unternehmen arbeiten bereits an der Manipulation der Enzyme und planen passende Recyclinganlagen. So wird in Aussicht gestellt, eine Tonne Plastik in 10 Stunden zu 90 % zu zersetzen.

In dieser Größenordnung wird das enzymatische Recyclingverfahren dann tatsächlich interessant und könnte eine langfristige Lösung für den Umgang mit unserem Plastikmüll darstellen. Dank der intensivierten Forschung auf dem Gebiet soll das Verfahren dann auch auf weitere Kunststoffarten ausgedehnt werden können.

Genetik oder Einsicht

Die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der Gentechnologie ist ebenso aufregend wie respekteinflößend, denn einige Fragestellungen bleiben von der Forschung derzeit noch unbeantwortet. Eine Frage wäre beispielsweise, welche Wechselwirkungen und Konsequenzen unsere „Schöpfung“ auf die Umwelt hätte, sollte sie jemals die geschlossenen Anlagen verlassen.

Zugegebenermaßen, was sich liest wie der Plot eines durchschnittlichen Katastrophenfilms, ist sicherlich der Worst Case, doch gänzlich unrealistisch ist es eben nicht. Es ist nicht abzuschätzen, ob die Lösung des einen Problems nicht der Beginn eines viel größeren sein könnte.

Nicht zuletzt aus diesem pessimistischen Gedankenspiel heraus sollten wir parallel darüber nachdenken, ob wir unseren Umweltproblemen nur mit Gentechnologie begegnen oder aber unser Produktions- und Konsumverhalten nachhaltig verändern möchten.

„Allein in Deutschland wurden im Jahr 2017 über 14 Millionen Tonnen Plastik produziert und von den angefallenen 5,2 Millionen Tonnen Plastikmüll nur 810.000 Tonnen wiederverwertet, eine ernüchternde Recyclingquote von 15,6 Prozent.“
Plastikatlas 2019 – Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff
Die Autor*in
Lukas Glöckner
Lukas Glöckner
Lukas ist Mediengestalter und Kommunikationsmanager B.A. Er kommt aus dem Bereich "CSR" eines Familienunternehmens und arbeitet nun bei "Lust auf besser leben". Er ist im Herzen ein stets kreativer und besonnener Hands-on-Teamplayer - und schreibt für sein Leben gern. Am liebsten über neue Innovationsthemen, die er sich selbst "drauffschaffen" muss.