Seit rund 400 Millionen Jahren nutzen Pflanzen Kohlenstoffdioxid (CO2) zur Photosynthese, regulieren den natürlichen Treibhauseffekt und machen die Erde so zu einem bewohnbaren Planeten.
Da wir im Zeitalter des Anthropozäns, des menschgemachten Klimawandels, allerdings den Rahmen eines natürlichen Treibhauseffektes verlassen haben und der globale Baumbestand seit Beginn der menschlichen Zivilisation durch diese halbiert wurde (siehe Nature-Artikel „Mapping tree density at a global scale“), müssen wir eben „künstliche“ Verfahren zur Minimierung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre anwenden. Ohne den Einsatz solcher innovativer Methoden ist es kaum möglich, die globalen Klimaziele noch zu erreichen.
Ausgangssituation
Unterschieden werden insbesondere zwei Ansätze:
- Carbon Capture and Storage (CCS): CO2 wird aus Abgasen abgeschieden und langfristig gespeichert. Das Herausfiltern findet dort an der sogenannten „Punktquelle“ statt, wo die Emissionen anfallen, also etwa in einem Schornstein.
- Carbon Dioxide Removal (CDR): CO2 wird aus der Atmosphäre entfernt. Dafür gibt es verschiedene Methoden. Die bekannteste ist das sogenannte Direct Air Capture (DAC), bei dem CO2 nicht an der Quelle abgefangen, sondern der Umgebungsluft entzogen wird.
Das CSS-Verfahren scheint optimal für Industrien, deren CO2-Emissionen derzeit kaum zu reduzieren sind – insbesondere die Zementindustrie. Mit einer Weltjahresproduktion von 4,5 Milliarden Tonnen sorgt der Sektor für etwa 2,7 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Die weltweite Nachfrage allerdings steigt stetig und das Material wird auch für viele Projekte verwendet, die den Klimaschutz voranbringen sollen – so z. B. der Bau neuer Bahnstrecken oder von Windkrafträdern.
Beide Ansätze verfolgen das Ziel, das abgeschiedene CO2 zu speichern. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) soll dies in porösen Gesteinen in mindestens 800 Metern Tiefe, also insbesondere in erschöpften Erdgaslagerstätten, geschehen.
Bei einem Besuch von Bundeskanzler Scholz in Norwegen 2022 kam der Vorschlag auf, zukünftig das gesamte in Europa anfallende CO2 in Norwegen einzulagern: 3.000 Meter tief im Meeresboden vor der Küste des Landes. Kein Wunder, dass Organisationen wie das Bundesumweltamt kritisch die Augenbrauen heben. Greenpeace dagegen lehnt das Verfahren aufgrund unkalkulierbarer Risiken grundsätzlich ab.
Das oben genannte DAC-Verfahren unterscheidet sich dann in erster Linie durch den Ort der Entnahme des CO2 – nämlich aus der Umgebungsluft anstelle des Schornsteins. Die grundsätzliche Problematik der „Lagerung“ bleibt aber bestehen.
Reality-Check: Ist Direct Air Capture wirklich sinnvoll?
Die Weltbevölkerung emittiert jährlich ca. 36 Milliarden Tonnen CO2. Die bisher größte DAC-Anlage „Orca“ auf Island entzieht der Atmosphäre 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Die für das Jahr 2024 geplante Anlage „Mammoth“ (ebenfalls Island) wird zwar 9-mal so viel Kapazität haben, aber auch das ist noch vergleichsweise wenig.
Das Verfahren ist zudem sehr energieaufwändig und somit nur dann wirkungsvoll, wenn die Anlage auch mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Die Kosten für die „Aufbereitung“ einer Tonne CO2 liegen derzeit noch bei 800 bis 1000 Euro, also deutlich über den Kosten für klassisches „Carbon Off-Setting“, mittels dessen Unternehmen und Privatpersonen ihre eigenen Emissionen neutralisieren können. Zumindest derzeit ist das Verfahren also noch kein etabliertes klimapolitisches Instrument.
Eine Studie der Zeitschrift Nature bringt die derzeitige Problematik dann auf den Punkt: Ca. 36.000 Anlagen mit einer CO2-Entnahmeleistung von 100.000 Tonnen pro Jahr wären nötig, um der Atmosphäre gerade einmal ein Prozent der jährlichen CO2-Emissionen zu entziehen. Doch ist dies überhaupt nicht möglich, da der Strombedarf der DAC-Systeme das derzeitige globale Stromangebot überschreiten würde.
Direct Air Capture: Hochtechnologie oder Natur?
Offensichtlich gibt es auch ein natürliches Direct-Air-Captioning-System: die gezielte Aufforstung und Wiederaufforstung sowie die Renaturierung von Mooren. Doch auch hier lauern Herausforderungen: Wälder müssen vor Dürre, Schädlingen und Bränden beschützt werden, und zwar insbesondere deshalb, damit das gespeicherte CO2 nicht doch wieder freigesetzt wird. Genau in diese Richtung geht das Bioenergy Carbon Capture and Storage (BECCS). Das Verfahren bildet eine Brücke zwischen natürlicher und technischer CO2-Speicherung. Hier wird das CO2 zunächst beim Wachstum der Pflanzen gebunden, die Biomasse wird anschließend verbrannt und das freigesetzte CO2 geologisch gespeichert (CCS). Dieser Weg ist besonders interessant, um mit der entstehenden Wärme Prozesse im Industriesektor zu „befeuern“ und so die Klimabilanz von Unternehmen zu verbessern.
Wie geht es weiter?
Solange erneuerbare Energien noch knapp sind, ist die Reduzierung von Emissionen kosteneffizienter und umweltfreundlicher. Sollte die Stromerzeugung in der Industrie allerdings innerhalb der nächsten Jahrzehnte dekarbonisiert werden, könnte das DAC-Verfahren einen wirkungsvollen Beitrag zur Reduktion von CO2 in der Atmosphäre leisten.
Eine andere Sichtweise ist, dass wir nun lange genug nicht gehandelt haben. „Realistisch“ also hin oder her, wir sind an einen Punkt gelangt, an dem wir auch unrealistisch beziehungsweise unpraktikabel erscheinende Lösungsansätze verfolgen sollten, um endlich aktiv zu werden.