Mehrwegangebote in verschiedenen Behältnissen

Mehrweg

Ein halbes Jahr Mehrwegangebotspflicht: Wo steht die Gastronomie?

Die Einführung der Mehrwegangebotspflicht ist ein bedeutender Schritt im Kampf gegen die Plastik- und Abfallflut. Sie verpflichtet Gastronomiebetriebe dazu, ihren Kund*innen eine Mehrweglösung für To-go-Speisen und Getränke anzubieten. Dadurch soll der Verbrauch von Einwegverpackungen reduziert und die Nutzung von umweltfreundlichen Mehrwegbehältern gefördert werden.

Bereits nach 100 Tagen Mehrwegangebotspflicht (wir berichteten) warnten Umweltverbände, dass die Pflicht zum „Rohrkrepierer“ würde, wenn nicht aktiv Kontrollen durch die Behörden vor Ort erfolgten. Ein halbes Jahr später hat sich daran wenig geändert. Viele Restaurants, Cafés und Imbisse, aber auch Kantinen bieten nach wie vor hauptsächlich Einwegverpackungen an, ohne ihren Kunden eine nachhaltige Mehrwegalternative anzubieten. Dieses Versäumnis hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und widerspricht dem Trend zu mehr Konsumbewusstsein.

Gründe für die Mehrwegscheu

Wir haben uns mögliche Gründe für die Umsetzungsdefizite angesehen:

  • Unwissenheit: Ein Grund für die unzureichende Umsetzung könnte ein Mangel an Informationen über die genauen Anforderungen der Mehrwegangebotspflicht sein. Es besteht die Möglichkeit, dass viele Gastronomiebetriebe nicht richtig informiert sind oder Schwierigkeiten haben, die komplexen Vorschriften zu verstehen.
  • Kostenfaktor: Zusätzliche Kosten, die mit der Anschaffung von Mehrwegbehältern oder der Implementierung eines Mehrwegsystems zusammenhängen, können von den gastronomischen Betrieben möglicherweise als finanzielle Belastung angesehen werden.
  • Logistik und Platzmangel: Die Nutzung von Mehrwegverpackungen erfordert oft eine Anpassung der logistischen Prozesse, insbesondere in Küchen und Betrieben mit begrenztem Platzangebot. Die Lagerung, Reinigung und Rückgabe der Mehrwegbehälter erfordert zusätzlichen Platz und eine effiziente Organisation, was für manche Betriebe eine Herausforderung darstellt.
  • Verbraucher*innenpräferenz: Ein weiterer Grund könnte sein, dass Verbraucher*innen die Mehrwegangebote zu wenig nutzen und einfordern. Dies könnte auf Bequemlichkeit und Schnelligkeit der Entsorgung von Einwegbehältern zurückzuführen sein. Betriebe könnten befürchten, dass die Einführung von Mehrwegalternativen zu einer Abnahme der Kundenzufriedenheit führt oder schlicht nicht in Anspruch genommen wird.
  • Fehlende Kontrollen und Sanktionen: Die fehlenden Kontrollen bzgl. der Einhaltung der Mehrwegangebotspflicht, könnten dazu führen, dass Gastronomiebetriebe die Regelung nicht ernst nehmen. Wenn die Gefahr von Sanktionen oder Bußgeldern gering ist, besteht wenig Anreiz für die Einhaltung der Vorschriften. Die Bußgelder für Verstöße sind derzeit bei bis zu 10.000 Euro angesetzt.

Die Folgen für die Umwelt

Die unzureichende Umsetzung der Pflicht hat Konsequenzen für unsere Umwelt. Einwegverpackungen, insbesondere aus Plastik, belasten unsere Ökosysteme, binden wertvolle Ressourcen, verschmutzen unsere Gewässer und stellen mitunter eine Gefahr für die Tierwelt dar. Jeden Tag landen tonnenweise Einwegverpackungen auf Deponien oder werden verbrannt, anstatt wiederverwendet zu werden. Täglich sind das etwa 770 Tonnen Wegwerf-Verpackungen für To-go-Produkte in Deutschland, die im Abfall landen. Das sind jährlich etwa 5,8 Milliarden Einwegbecher und 6,4 Milliarden Einweg-Essensboxen, die nach wenigen Minuten weggeworfen werden.

Politischer Ausblick und Druck von Umweltverbänden

Um die Mehrwegangebotspflicht effektiv umzusetzen und ihre positiven Auswirkungen zu maximieren, braucht es die Beteiligung von Vielen. Einerseits muss die Gastronomiebranche ihre Wirkkraft erkennen und ins Handeln kommen, andererseits muss von Seiten der Behörden und der Politik durch stärkere Kontrollen und effektive Sanktionen Druck aufgebaut werden. Nicht zu vernachlässigen ist die Notwendigkeit, dass Konsument*innen Mehrweglösungen aktiv einfordern.

Auch Umweltorganisationen möchten die Umsetzung der Pflicht beschleunigen. So hat Greenpeace nach Ablauf des ersten Quartals ein Onlineportal veröffentlicht, das Verbraucher*innen die Möglichkeit gab, Verstöße der Pflicht zu melden. So konnten die Betriebe direkt an die zuständigen Behörden weitergegeben werden. Inzwischen ist das Portal wieder offline. Greenpeace jedoch konnte in Bezug auf Verpackungsmaterialien einen ersten Kampagnen-Erfolg einstreichen. Die Mehrwegangebotspflicht soll ab 2025 auf alle Materialien – nicht nur kunststoffhaltige Einwegverpackungen – erweitert werden.

Wer zeigt, wie es geht?

Auf kommunalpolitischer Ebene ist die Stadt Tübingen ein Vorreiter in Sachen Mehrweg. Hier wird seit Anfang 2022 eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen erhoben. Auch durch die seit Mai 2023 geltende EU-Einwegkunststoffrichtlinie wird weiter Druck aufgebaut, diesmal gegenüber den Herstellenden von Einwegkunststoffen. Diese wird mit der Bildung des Einwegkunstoff-Fonds ab 2025 (teilweise sogar schon ab 2024) und den damit verpflichtenden Abgaben der Produzierenden forciert.

Das Pilotprojekt „Mehrweg Modell Stadt“ der Initiative Reusable To-Go möchte in den hessischen Städten Wiesbaden und Mainz die Rückgabe verschiedener Mehrwegsysteme in öffentliche Behältnisse bündeln (ähnlich der Pfandflaschen-Rückgabe) und somit die Rückgabe von Mehrwegverpackungen für Konsument*innen erleichtern. Gefördert durch das Umweltministerium Hessen und Klimaschutzministerium Rheinland-Pfalz soll eine gemeinsame Rückgabeinfrastruktur geschaffen werden. Hierfür werden derzeit teilnehmende Betriebe gesucht. Die Initiative setzt sich für eine einfache, systemunabhängige Lösung ein.

In der Stadt Frankfurt am Main sorgt das Projekt #MainMehrweg mit einer digitalen Lösung für mehr Mehrweg-Akzeptanz bei Gastronomie und Verbraucher*innen. Hilfreich ist hier eine Kooperation mit Vytal, deutschlands größtem pfandfreien Mehrwegsystem.

Fazit

In Anbetracht des wachsenden Umweltbewusstseins und der zunehmenden Dringlichkeit, den Verbrauch von Einwegverpackungen zu reduzieren, ist eine positive Prognose für einen steigenden Einsatz von Mehrwegverpackungen in der deutschen Gastronomie gerechtfertigt.

Schließlich kann Nachhaltigkeit auch im Gastronomiebereich einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Betriebe, die Mehrwegverpackungen anbieten, können sich als umweltbewusste und verantwortungsvolle Unternehmen positionieren und von der steigenden Nachfrage profitieren.

Die Gastronomiebranche spielt eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung von Einwegverpackungen und dem Schutz unserer Umwelt. Es ist notwendig, diese Herausforderungen anzugehen und Lösungen zu finden, um die Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht zu verbessern und eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen.

Dabei erfordert der Übergang von Einweg- zu Mehrwegverpackungen in der Gastronomie Zeit und Ressourcen – und vor allem eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Gastronomiebetrieben, Verbraucher*innen, Regierungsstellen und der Verpackungsindustrie, um die Veränderung erfolgreich umzusetzen.

 

 

„Auf kommunalpolitischer Ebene ist die Stadt Tübingen ein Vorreiter in Sachen Mehrweg. Hier wird seit Anfang 2022 eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen erhoben.“
Die Autor*in
Flora Matani
Flora Matani
‚Nomen est omen' oder ‚Der Name ist Programm'. Flora beschäftigt sich seit einigen Jahren mit verschiedenen Themen rund um Nachhaltigkeit. Umgeben von Zimmerpflanzen oder auf ihrem Balkongarten, beschäftigt sie sich mit Tierschutz, fairer Mode oder veganer Ernährung. Für die FES betreut sie nachhaltige Projekte und berät Kunden im Rahmen der Abfallvermeidung. Zudem schreibt Sie redaktionelle Beiträge für den reCYClist.